"Es wird verhandelt bis zum bitteren Ende." Mit diesen Worten bringt der Sprecher von EU-Kommissar Franz Fischler die Konflikte um die Agrarreform auf den Punkt. Der Durchbruch beim EU-Agrarministerrat in Luxemburg hätte gestern gelingen sollen, doch der mächtige Hauptgegner des österreichischen Kommissars, der französische Landwirtschaftsminister Herve Gaymard, vereitelte bisher eine Einigung. Allein er habe selbst auf die neuen Vorschlägen stets mit Nein geantwortet, während der Rest der Delegationsmitglieder kompromissbereit gewesen sei, hieß es aus Verhandlerkreisen.
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Fischler hat hoch gepokert, als er im vergangenen Jahr seine mutigen Reformpläne vorlegte. Als mit allen Wassern gewaschener Polititker war ihm natürlich klar, dass nur ein Teil dessen umgesetzt werden kann, doch am Reformherzstück, der Entkopplung der Agrarförderungen von der Produktion, wollte er unbedingt festhalten. Davon ist mittlerweile nicht mehr die Rede: Aufgrund des überraschenden Bündnisses von Frankreich und Deutschland wird es nur eine Teilentkoppelung geben. Fischler wurde von dieser Allianz überrumpelt und hat nun enorm an Durchsetzungskraft verloren.
Fraglich ist wieviel Prozent die Partner herausreißen. Die Deutschen fordern Nachbesserungen, die Franzosen sind nur bereit bis zu 60 Prozent der Zahlungen für Getreide und Ölsaaten zu entkoppeln, der neue Fischler-Kompromiss sieht vor 75 Prozent bei Getreide und Ölsaaten, sowie 70 Prozent bei Fleisch zu entkoppeln. Der Kommissionsplan wonach die aus dieser Reduktion der Direktzahlungen frei werdenden Mittel in die Töpfe für die ländliche Entwicklung umgeschichtet werden, findet nur wenig Gegenliebe. Auch die Senkung der garantierten Mindestpreise für Getreide und Milch stößt auf heftigen französischen Widerstand. Das von Fischler vorgebrachte Argument, wonach mittels einer neuen Agrarpolitik die Karten bei der Welthandelskonferenz in Cancun weit besser sind, stößt noch auf Taube Ohren.
Das deutsch-französische Bündnis ist deshalb bemerkenswert, weil es auf unterschiedlichen Interessen basiert. Frankreich ist größter Profiteur der Agrarzuschüsse, Deutschland leistet die höchsten Beiträge zum Agrarbudget. Beide Länder haben jedoch eine erkleckliche Zahl von Großbetrieben, die sich gegen die Prämienkürzungen wehren.
Immerhin geht es um die Neuverteilung von 44 Mrd. Euro, wovon bisher 18,6 Mrd. Euro in den Ackerbau und 7 Mrd. Euro in die Rindfleischproduktion geflossen sind. Gaymard steht unter Druck der Bauernlobby keine Zugeständnisse zu machen. Auch die deutschen Bauernverbände lehnen das Kompromisspapier ab. Für der Deutschen Bauernverband ist es unverständlich, dass Fischler weiterhin auf Entkoppelung und pauschale Betriebsprämien setzt und die abgestimmten Positionen der beiden großen Verbündeten einfach ignoriert.
Manche Beobachter vermuten hinter der starren französischen Position auch Theaterdonner und Taktik, damit Gaymard am Ende sagen könne: Wir haben bis zum Letzten gekämpft. Deutsche Verhandler sind zuversichtlich, dass die mühevollen Verhandlungen ein gutes Ende haben werden.
Pröll fürchtet Bauernsterben
Neben den beiden großen Hauptakteuren spielen die kleineren Staaten wie Österreich eine eher untergeordnete Rolle. Doch auch Landwirtschaftsminister Josef Pröll lehnt gemäß der Position des Bauernbundes eine totale Entkoppelung ab. Letzter fürchtet, dass die Rinderzucht durch geringere Prämien an Attraktivität verliert und dass vor allem kleinere, extensiv wirtschaftende Betriebe im Grünland das Handtuch werfen. Damit würde das "Bauernsterben" beschleunigt. Dieser Interpretation schließen sich auch die Biobauern an, sie bangen bei vollständiger Entkoppelung um Biobetriebe in den benachteiligten Bergregionen. Eine bittere Konsequenz, die jedoch durch die Reform nie intendiert war. Pröll ist deshalb zuversichtlich, dass seine Argumente auf Gehör stoßen.
Notwendig wird die Einigung auf eine Reform wegen der bevorstehenden EU-Erweiterung. Ab Mai 2004 werden die Karten neu gemischt: Statt wie bisher 7 sind dann plötzlich 14 Millionen Bauern auf dem Markt. Daher ist der Agrarökonom Markus Hofreither zuversichtlich, dass Deutschland und Frankreich einlenken. "Sollten sie dies nicht tun, kommen auf die alten EU-Mitglieder erhebliche Kosten und große Unsicherheiten zu." Denn die Agrarzahlungen an die Neuen sind in der Reform berücksichtigt und zu Beginn noch gering dotiert. Das bittere Ende würde also drohen, käme es zu keiner Einigung.