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Verhandeln in Berlin und Wien

Von Simon Rosner und Thomas Seifert

Politik

Was Österreicher und Deutsche trennt ist mehr als die gemeinsame Sprache.


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Berlin/Wien. 75 Personen verhandelten in der großen Runde, daneben trafen sich jeweils 17 Personen in zwölf Arbeitsgruppen und vier Untergruppen. Seit 23. Oktober trafen sich die CDU/CSU und SPD-Vertreter regelmäßig in der CDU-Zentrale in Berlin.

In der großen Runde der 75 wurde übrigens eigentlich nichts verhandelt, dazu sitzen einfach viel zu viele Politiker um den riesigen Tisch herum.
Dort, wo die wesentlichen Weichen der neuen Regierung gestellt wurden, saßen sich Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel persönlich gegenüber.

In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk plauderte der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber aus dem Nähkästchen und berichtete, wie Merkel an solche Verhandlungen herangeht: Mit "Nettigkeit" und "hartnäckig bis zum Ende der Verhandlungen" versuche sie, dem Verhandlungspartner die gewünschten Zugeständnisse abzuringen.

Berlin: Es steht nicht mal Alkohol am Verhandlungstisch

Das Verhandlungsklima bei den Koalitionsgesprächen in Berlin war stets nüchtern, nach einem sehr zäh verlaufenen Gespräch zwischen Union und SPD hatte die Generalsekretärin der Sozialdemokraten, Andrea Nahles, kürzlich laut einem Bericht des "Focus" im Scherz moniert, dass es nicht einmal Alkohol gegeben habe.

Verhandlungen ganz im deutschen Stil: hart in der Sache, freundlich im Ton. Dazu noch: Transparenz. Während die Verhandlungen in Wien im Geheimen verlaufen, wurde die deutsche Öffentlichkeit von den Verhandlern regelmäßig über den Fortschritt bei den Gesprächen informiert.

Wien: Kooperation stattKonfrontation

In Österreich mahnte schon am Wahlabend Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll einen "neuen Stil" in der Zusammenarbeit der beiden vormaligen Großparteien SPÖ und ÖVP ein. Und unter diesem Motto sollten auch die Koalitionsverhandlungen stehen, nicht die Konfrontation, sondern die Kooperation sollte in den Vordergrund gestellt werden. Und warum das "Schweigegelübde"? Um Fouls aus der zweiten Reihe vorzubeugen, hieß es, nur die Parteichefs Werner Faymann und Michael Spindelegger sollten über den Fortgang der Gespräche informieren.

Der "neue Stil" beschränkte sich dann aber vor allem auf diesen Punkt. SPÖ und ÖVP offenbarten immer wieder ihre Differenzen, die sogar in einer Art Glaubensfrage gipfelten, ob sich beim Budget ein Loch oder doch nur eine Lücke aufgetan hat. Sogar von einem Abbruch der Verhandlungen war seit Mitte Oktober, als die Gespräche begannen, immer wieder einmal die Rede, obwohl beiden Parteien die attraktiven Alternativen fehlen. Eine Bestätigung dafür erhielt die Öffentlichkeit allerdings nicht. Und zwar nie.

Faymann und Spindelegger gaben zwar die Chefverhandler der acht Untergruppen bekannt, doch wer noch in diesen Gruppen saß und wie viele Personen insgesamt verhandelten, all das blieb unter Verschluss. Einige Namen drangen zwar in die Öffentlichkeit, aber aktiv kommuniziert wurden sie nicht. Und auch über die Themen und Vorschläge, über die diskutiert wird, ist nichts zu erfahren, nicht offiziell jedenfalls. Was aus den Verhandlungen herausdringt, könnte bereits eine Einigung sein, oder aber nur eine Forderung eines Einzelnen. Oder gar ein taktisches Manöver?

Was Verhandler - natürlich ebenfalls selten offiziell - bekunden, ist ein konstruktives Klima in den Untergruppen, zu denen auch immer wieder Experten beigezogen werden. Doch im Bestreben, einen "neuen Stil" in der Zusammenarbeit zu etablieren, haben SPÖ und ÖVP die Öffentlichkeit nicht mitgenommen. Auch wenn von konstruktiven Gesprächen da und dort zu hören war, so war es nie wirklich greifbar. Wie weit ist man gekommen? In welche Richtung gehen die Verhandlungen? Welche Bereiche hat man bereits abgearbeitet? Und mit welchem Ergebnis? Zu keiner Zeit wurden diese Fragen beantwortet.

Auch als bereits Mitte November die Verhandler für Kunst und Kultur eine Einigung vermeldeten, gab es nichts Konkretes. Aber immerhin: Es sei ein "großer Wurf" gelungen, hieß es - inoffiziell. Worin? Selbst darauf muss Österreich noch warten.