Die nordirische DUP hat den Druck auf die irisch-katholische Sinn Féin erhöht. Bis Donnerstag müssen die Parteien in Belfast eine Regierung bilden.
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Wien/Belfast. Die Titelseiten nordirischer Zeitungen kannten am Dienstag nur ein Thema: den Eine-Milliarde-Pfund-Deal zwischen der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) und den britischen Tories. Eine Karikatur zeigt die britische Premierministerin Theresa May, wie sie einen Geldbaum schüttelt. Darunter steht DUP-Chefin Arlene Foster und fängt die Banknoten.
Am Montag hatten sich die beiden geeinigt: Die zehn Abgeordneten der DUP werden die Regierung der britischen Konservativen unterstützen und bei ihrer Agenda mitstimmen. Im Gegenzug bekommt Nordirland von London bis 2020 mindestens eine Milliarde Pfund (1,14 Milliarden Euro) zusätzlich.
Während die britische Opposition das Abkommen als "schäbig und rücksichtslos" kritisiert und Schottland und Wales sich benachteiligt fühlen, zeigt sich Dublin optimistisch - immerhin kommt die Milliarde auch dem irisch-katholischen Bevölkerungsteil Nordirlands zugute. Mehr als die Hälfte soll in die Infrastruktur investiert werden, der Rest fließt in Gesundheit, Bildung und die Förderung armer Regionen.
Eine Milliarde gegen das Patt
Der Deal hilft der DUP bei der Durchsetzung ihrer Agenda zu Hause in Belfast und setzt die irisch-katholische Sinn Féin unter Druck. Bis morgen, Donnerstag, müssen die beiden Parteien eine Regierung bilden. Dass die Milliarde der gesamten britischen Provinz zugutekommt, sieht auch Sinn-Féin-Chef Gerry Adams ein: "Die zusätzlichen Gelder könnten helfen, den enormen Druck von unserer öffentlichen Versorgung zu nehmen. Das wäre eine gute Sache", schreibt er im linksliberalen "Guardian".
Die Republikaner fürchten, dass das Mitspracherecht der DUP in London die Machtbalance in Nordirland gefährdet. Seit dem Karfreitagsabkommen von 1998 müssen sich Katholiken und Protestanten in Belfast die Macht teilen. Die Regierung in London hat sich neutral zu verhalten.
Bei den Verhandlungen in Belfast geht es nun darum, alte Probleme schnell zu lösen. Denn eigentlich hat sich nichts geändert, nachdem die Republikaner von Sinn Féin die Koalition mit den Unionisten im Jänner gekündigt haben. Seit den Neuwahlen befinden sich die beiden in einem Patt. Die Sinn Féin hat klargemacht, dass sie nicht mehr mit Foster zusammenarbeiten will - zumindest, bis deren Verantwortung in einem Energieförderskandal geklärt ist. Daran festzuhalten dürfte den Republikanern nun, da Foster mit der Milliarde Pfund aus London zurückgekehrt ist, allerdings schwerfallen.
Alte Gegner unter Zugzwang
Einig waren sich die Unionisten und Republikaner bisher nur in einer Sache: Es soll keinen harten Brexit inklusive Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik geben. Ansonsten sind die beiden alte Gegner in einem nie ganz erloschenen Konflikt. Während in der linken Sinn Féin ehemalige IRA-Leute sitzen und die Partei nach wie vor ein vereinigtes Irland anstrebt, sind viele DUP-Vertreter nach wie vor fanatisch antikatholisch. Die Unionisten nehmen zudem streng konservative Positionen ein: Eine Lockerung des Abtreibungsgesetzes und die Homoehe sehen sie als Beleidigung ihrer Werte, viele Parteimitglieder glauben weder an den Klimawandel noch an die Evolutionstheorie.
Zudem lehnt die DUP eine zentrale Forderung der Sinn Féin konsequent ab: die Gleichberechtigung der irischen Sprache. Viele Protestanten in Nordirland fühlen sich bedroht durch jegliche Zurschaustellung irischer Kultur. So bezeichnet der Ex-DUPler und Gründer der radikalen DUP-Splittergruppe "Traditional Unionist Voice", Jim Allister, die Anerkennung des Irischen als "Aushöhlung unseres Britentums". Er glaubt dennoch, dass die DUP sich nun darauf einlassen wird. Denkbar ist allerdings auch ein Kompromiss, der lediglich auf eine höhere Förderung der irischen Sprache hinausläuft.
Es bleibt nur ein Tag, bis DUP und Sinn Féin eine neue Regierung bilden müssen. Gelingt das nicht, wird Nordirland künftig wieder von London aus regiert. Die irisch-republikanische Sinn Féin hätte dann gar kein Mitspracherecht. Es läge allein an London, zu entscheiden, wohin die versprochene Milliarde fließt.