Verhandlungsmarathon zwischen vorsichtigem Optimismus und Skepsis.|Kreditgeber nicht bereit auf Reformangebote Griechenlands einzugehen.|Eurogruppe beendet - Nächstes Treffen auf Samstagvormittag verschoben.
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Brüssel. Die Sitzung der Euro-Finanzminister mit den Gläubiger-Institutionen EU, EZB und IWF ist am Donnerstag ohne Einigung beendet worden. Der finnische Finanzminister Alexander Stubb teilte auf Twitter mit: "Das ist es für heute. Institutionen und Griechenland setzen Arbeit fort. Eurogruppe kommt später zurück, aber nicht heute." Nach dreistündigen Beratungen wurden die Gespräche auf Samstag verlegt.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras rechnete zuvor noch mit einer Einigung im Schuldenstreit. "Die europäische Geschichte ist voller Meinungsverschiedenheiten, Verhandlungen und dann Kompromissen", sagte er am Donnerstag noch zum Auftakt des EU-Gipfels. "Nach den umfassenden griechischen Vorschlägen bin ich zuversichtlich, dass wir einen Kompromiss finden, der der Eurozone und Griechenland bei der Überwindung der Krise hilft."
Schäuble ist skeptisch
Griechenland bewege sich eher rückwärts, drückte der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble seine Skepsis über die Aussichten auf eine baldige Einigung zwischen der griechischen Regierung und internationalen Gläubigern aus. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zeigt sich hingegen optimistisch: "Ich glaube wir sind auf dem Weg, Griechenland entgegenzukommen." Es sei schwierig, die Nerven zu behalten in einer angespannten Situation, doch sei dies die Pflicht von Politikern. "Ich glaube wir werden das schon schaffen."
Auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hofft weiter auf eine Schuldenlösung für Griechenland. "Ich hoffe trotzdem auf eine Einigung", sagte er vor dem Hintergrund der andauernden schwierigen Verhandlungen am Donnerstag in Brüssel.
Staatspleite kaum zu verhindern
Aber ein greifbares Ergebnis hat der Verhandlungsmarathon noch nicht gebracht. Die Regierung in Athen und die Gläubiger-Institutionen IWF, EZB und EU-Kommission konnten sich auch am Donnerstag zunächst nicht auf einen Reformplan einigen, der den Weg für neue Hilfen freimachen soll. "Die Entscheidungen liegen ausschließlich bei den Verantwortlichen in Griechenland, sie haben sich bisher eher rückwärts bewegt", kritisierte Schäuble vor einer Sitzung der Euro-Gruppe in Brüssel. Umkämpft bleiben vor allem der Umbau des Rentensystems und die Mehrwertsteuer. Verstolpern beide Seiten den Endspurt um einen Kompromiss, dürfte eine Staatspleite kaum noch zu vermeiden sein.
Unerfüllbare Forderungen für Tsipras
Doch sind die von den Kreditgebern in einem Katalog vorgelegten Forderungen von Tsipras kaum zu erfüllen. Unterschreibt der Premierminister die Maßnahmen, ist ihm der Zorn der griechischen Bevölkerung sicher. Die Kreditgeber wollen die Reformangebote Athens nicht akzeptieren und halten an den vorigen Vereinbarungen fest. Die Forderungen in dem neunseitigen Forderungskatalog sind im Prinzip jene Verpflichtungen des Hilfsporgramms aus dem Jahr 2013, die Tsipras ändern wollte.
Eigentlich war geplant, dass eine Lösung bis zum Beginn eines EU-Gipfels am Nachmittag stand. Voraussetzung dafür war jedoch eine Beschlussvorlage für die unmittelbar davor tagenden Euro-Finanzminister. Trotz stundenlanger Verhandlungen am Mittwoch und in der Nacht schafften es Regierungschef Alexis Tsipras und die Chefs der drei Institutionen aber nicht, sich auf ein Papier zu einigen.
Hilfspaket läuft Dienstag ab
Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte, in der Sitzung der Minister werde Griechenland mitteilen müssen, auf welche Maßnahmen man sich verständigen könne. Beobachter spekulierten, dass Tsipras unter dem Druck der drohenden Pleite eine Lösung auf höchster politischer Ebene beim EU-Gipfel erreichen will, der die Finanzminister folgen müssten. Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere haben bisher aber stets abgelehnt, über Reformdetails zu verhandeln.
Am Dienstag läuft das derzeitige - zweite - Hilfspaket für das seit 2010 vom Kapitalmarkt abgeschnittene Land aus. Damit würde auch der Anspruch auf weitere Hilfen von bis zu 18 Milliarden Euro verfallen. Weil das Parlament in Athen und andere Parlamente in den Euro-Ländern, darunter der Bundestag, einer Auszahlung neuer Hilfen zustimmen müssen, drängt die Zeit.
Ringen um Steuern und Renten
Nach Angaben von Teilnehmern lagen den Finanzministern zwei Dokumente vor - eines der Griechen und eines der Gläubiger. Ein Sprecher der Regierung in Athen sagte, diese stehe zu ihren am Montag übermittelten Vorschlägen. Die griechische Seite habe ihren Willen zu einer Einigung demonstriert, die Zeit für einen Deal sei gekommen. Aus dem Reuters vorliegenden Papier der drei Institutionen ging hervor, dass die Gläubiger den Griechen bei den Themen Steuern und Renten entgegenkommen wollten. So sollten die umstrittenen Erhöhungen der Mehrwertsteuersätze Ende 2016 überprüft werden, wenn sich bis dahin neue Einnahmequellen für den Haushalt aufgetan hätten. Zudem sollte das Auslaufen von Sondervergütungen für Rentner mit niedrigen Einkommen (Ekas) über zwei Jahre länger bis Ende 2019 gestreckt werden.
Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling nannte die Verhandlungstaktik der griechischen Regierung rücksichtslos gegenüber dem eigenen Volk. Wenn die Vorschläge für die Finanzminister nicht akzeptabel seien, müssten sie sich mit den "vorbereiteten Alternativen" beschäftigen. Seit Wochen wird hinter den Kulissen bereits an Vorkehrungen gearbeitet, die Folgen eines möglichen griechischen Bankrotts zu begrenzen. Der spanische Finanzminister Luis de Guindos sagte, die Minister würden sich so oft treffen, wie es eben notwendig sei.
Vernichtende Maßnahmen auf dem Tisch
In Athen liegen wegen der Dauerkrise die Nerven blank. Der Fraktionschef der regierenden Syriza, Nikos Filis, sagte dem Sender Mega TV: "Die Forderung der Geldgeber, vernichtende Maßnahmen wieder auf den Tisch zu legen, belegt, dass die Erpressung gegen Griechenland einen neuen Höhepunkt erreicht." Seine Partei beharre darauf, dass eine Einigung auch eine Schuldenerleichterung enthalte. Ein Schuldenerlass kommt für die Euro-Länder aber nicht infrage, weil sie dann ihre früheren Hilfen zum Teil abschreiben und dies den Bürgern erklären müssten. Deutschland bürgt für Darlehen von über 50 Milliarden Euro.
Greece - prior actions (9-seitiger Forderungskatalog, PDF)