Natürlich haben das mächtige Überschwappen der Schuldenkrise auf die Vereinigten Staaten, der Pendelschwung bei den finnischen Wahlen hin zu den Rechtspopulisten und das verzweifelte Bemühen der ÖVP, ein bleibendes Abrutschen auf Rang drei in der österreichischen Parteienlandschaft zu verhindern, nichts miteinander zu tun. Nicht einmal auf den zweiten Blick. Alle drei Phänomene sind Ergebnis einer höchst originären Geschichte des politischen Versagens.
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Gemeinsam ist ihnen lediglich die wachsende Unfähigkeit zum Kompromiss. Früher einmal galt die Faustregel, dass derjenige Wahlen gewinnt, dem es gelingt, die größtmögliche Schnittmenge im Wählerspektrum zu vereinen. Diesem Grundgedanken entspricht auch das im Mehrheitswahlrecht verankerte Prinzip des "winner takes it all".
Unpraktischerweise hat der ansonsten recht segensreiche Prozess der Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft - Motto jedem das Seine - in der Politik dazu geführt, dass bereits die kleinstmögliche Mehrheit für den Sieg ausreicht - den immer zahlreicheren Politik-Abstinenzlern sei Dank. Was einst zum Zweck hatte, Brücken in der Mitte zu bauen und politische Gegensätze zu überwinden, konzentriert sich nun darauf, Extrempositionen als uneinnehmbare Pole aufzurüsten.
In den USA geht es dabei um die Haltung gegenüber dem Staat und seiner finanzpolitischen Steuerungsmacht, hierzulande hört das Hass- beziehungsweise Heilsobjekt, an dem sich die politischen Emotionen scheiden, auf den Namen Europa.
Der Umgang mit Europa ist insbesondere für die selbsternannte Europapartei ÖVP ein heikles Unterfangen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie die neue ÖVP diesen Spagat zu überwinden versucht. Sie weiß, dass, will sie jemals wieder Nummer eins werden, sie auf der rechten Seite Stimmen zurückgewinnen muss. Dem steht das weit verbreitete Unverständnis in Zeiten milliardenschwerer Kredite und Haftungen für krachende Euro-Länder entgegen.
Statt flammender Bekenntnisrhetorik vor ausgewähltem Publikum wäre vielleicht ein nüchterner Tonfall angemessener. Einer, der mehr objektive Sachverhalte erklärt als Notwendigkeiten deklamiert. Immerhin hat es die Politik mit mündigen Bürgern zu tun.