Vorerst keine EU-Sanktionen. | Schutzklausel-Forderung abgelehnt. | Brüssel. Zeugnisverteilung für die neuen EU-Mitgliedsstaaten Bulgarien und Rumänien: Bereits im Vorfeld der heute, Mittwoch, präsentierten Fortschrittsberichte der EU-Kommission war klar, dass beide Länder in so zentralen Bereichen wie Justiz und Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität auch zweieinhalb Jahre nach dem Beitritt weit von EU-Standards entfernt sind. Dennoch wird es diesmal keine Sanktionen von EU-Seite geben. Forderungen nach der Aktivierung von Schutzklauseln verhallten in Brüssel.
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Dabei ist das Resumee durchaus verheerend: Vor allem fehle in Sofia der politische Wille zur Bekämpfung der Korruption und organisierten Kriminalität, berichten bulgarische Medien unter Berufung auf Entwürfe der Kommissionsberichte. Weiterhin seien Auftragsmorde auf offener Straße an der Tagesordnung. Bekannte Kriminelle würden entweder freigelassen oder zu geringfügigen Strafen verurteilt. Viele Richter greifen Korruptionsfälle gar nicht erst auf, wenn die Beschuldigten "gute Verbindungen" haben. Die EU-Kommission schlage Bulgarien daher die Etablierung von Spezial-Einheiten zum Kampf gegen Korruption im großen Stil und organisierte Kriminalität vor, hieß es.
Rückschritte
Rumänien waren im Februar erstmals Rückschritte attestiert und die Streichung von EU-Fördergeldern in Aussicht gestellt worden. Offenbar haben sich die Rumänen zurückgelehnt, weil sie in den ersten beiden Jahren ihrer EU-Mitgliedschaft eine Aufholjagd in Richtung EU-Standards hingelegt hatten. Lagen sie beim Beitritt noch deutlich hinter Bulgarien, konnten sie vorübergehend vorbeiziehen, um heuer wieder auf ein ähnliches Niveau zurückzufallen.
Dass es heute keine spektakuläre Blockade von hunderten Millionen Euro EU-Mitteln gibt wie im Vorjahr, liegt daran, dass die formal parallel laufende Bewertung des korrekten Umgangs damit auf Herbst verschoben wurde. Im Februar setzte es immerhin ein Warnsignal in Richtung Rumänien, nachdem Bulgarien bereits an die 800 Millionen Euro auf Eis gelegt worden waren; rund 200 davon sind Ende 2008 endgültig verfallen.
Keinen Erfolg hatte der niederländische EU-Minister Frans Timmermans mit seinem Brief an Justizkommissar Jacques Barrot von Mitte Juni. Er hatte im Fall ungenügender Fortschritte bei der Justizreform in den beiden Ländern die Aktivierung von Schutzklauseln gefordert. Diese reichen von der Nicht-Anerkennung bulgarischer und rumänischer Gerichtsurteile bis zur Suspendierung der Justiz- und Polizeizusammenarbeit. Auch Vertreter großer Mitgliedsländer sollen diesem Ansinnen nicht ohne Sympathie gegenüber gestanden haben.