Die Internet-Mitwohnplattform Airbnb ist mittlerweile mehr wert als einige der größten Hotelketten der Welt. | Die Mitfahrplattform Uber wurde in Deutschland eben verboten. Braucht die sogenannte Shared Economy mehr Regulierung oder weniger?
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Tianjin. Die Verheißungen der Shared Economy - Wirtschaft des Teilens - klingen ganz wunderbar: Millionen von Menschen werden zu Mikro-Entrepreneuren, indem sie zum Beispiel über die Internet-Mitwohnplattform Airbnb ein Zimmer ihrer Wohnung oder gleich ihr Wochenendhäuschen vermieten oder eine Mitfahrgelegenheit via Uber anbieten. Nathan Blecharczyk, Mitbegründer von Airbnb, verteidigt bei einer Podiumsdiskussion beim World Economic Forum in Tianjin (China) das Modell: Die Vermieter würden ein wenig Geld verdienen oder hätten Spaß an den Sozialkontakten, die sich beim Vermieten ergäben. Sie würden zudem über ein geringeres Einkommen als der Durchschnitt verfügen. Den Konsumenten würde wiederum das ganz private Wohnerlebnis samt Tipps früherer Vermieter geboten, zudem seien die Airbnb-Angebote günstiger als die meisten Hotels.
Für Blecharczyk hat sich das Projekt Airbnb auf jeden Fall ausgezahlt: Noch vor sechs Jahren war er fast pleite, nun ist die Firma, an der er Anteile hält und auf der mittlerweile 600.000 Wohnungen in 160 Ländern angeboten werden, rund zehn Milliarden Dollar wert, fast so viel wie Hyatt Hotels oder die Hotelkette Wyndham Worldwide, wie der US-Autor Jeremy Rifikind in seinem jüngsten Buch "Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft: Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus" schreibt.
Zuletzt kam die Shared Economy aber unter Beschuss. Moderator Stephen Engle von Bloomberg News fragt: "Da wird die Hoteliersvereinigung aber wohl nicht erfreut sein? In einigen Ländern sollen solche Angebote stärker reguliert werden." Den New Yorker Hoteliers etwa entgingen durch die 416.000 Airbnb-Gäste, die zwischen Mitte 2012 und Mitte 2013 in der Stadt übernachteten, rund eine Million Nächtigungen.
"Zu Innovation ermutigen"
Der Airbnb-Mitbegründer kontert: "Wir sind alle für vernünftige Regulierung. Aber die Regulatoren müssen auch sehen, dass sich die Welt grundlegend verändert hat." Für Regulierungsbehörden sei es immer bequemer, einfach nein zu sagen - das behindere die weitere Entwicklung. Um zu mehr Innovation zu ermutigen, sollten Regulatoren rascher auf geänderte Verhältnisse reagieren.
Juristen schlagen sich derzeit mit einer Vielzahl offener Fragen herum: Was, wenn jemand die Vermietung via Airbnb gewerbsmäßig betreibt, aber keine Konzession besitzt, kein Gewerbe angemeldet hat und vielleicht auch keine Steuern auf die Einkünfte bezahlt? Eine große Zahl von Anbietern agiert in einer rechtlichen Grauzone. Dem Internet-Fahrtendienst Uber hat erst vor wenigen Tagen das Landgericht Frankfurt die Vermittlung von Fahrten via App in ganz Deutschland unter Androhung von 250.000 Euro Strafe pro Fuhr verboten.
Und würden nicht durch Dienste wie Uber oder Airbnb Arbeitsplätze - etwa in der Hotellerie, bei Taxifunkzentralen oder Taxiunternehmen oder bei Reisebüros - vernichtet? "Durch Internet-Dienste geht der Mittelsmann verloren, das stimmt. Das Problem kann man nur durch Trainings- und Umschulungsprogramme lindern."
Rapelang Rabana, Gründerin der südafrikanischen Rekindle
Learning, sieht dennoch die positiven Seiten überwiegen: "Der inklusive Charakter des Internets ist viel bedeutsamer als die negativen Seiten."
Paul E. Jacobs, Vorstandsvorsitzender des US-Mikroprozessorherstellers Qualcomm (in fast jedem Handy findet sich ein Qualcomm-Chip), sieht eine Innovationschance für Entwicklungsländer - und zwar genau deshalb, weil dort "die Last der Regulation geringer ist". Jacobs denkt dabei etwa an mobile Bezahlsysteme wie M-pesa, das 2007 zuerst in Kenia und Tansania startete und mittlerweile Banken und Geldtransferdienstleister wie Western Union unter Druck setzt.