In der festgefahrenen Debatte um das Ökostromgesetz zeichnet sich bis Donnerstag keine Lockerung ab.
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Wien. Es geht auch ums Gefühl. Zum ersten Mal können die Sozialdemokraten am Donnerstag ein Gesetz der Regierung, konkret eine Novelle zum Ökostromgesetz, aus eigener Kraft abdrehen. Es ist auch eine Premiere für den Bundesrat. Dort stellt die SPÖ im Gegensatz zum Nationalrat mehr als ein Drittel, weshalb sich die nötige Zweidrittelmehrheit für ÖVP und FPÖ nicht ausgehen wird.
Das erste Mal hat aber einen schalen Beigeschmack. Plötzlich steht die Sozialdemokratie mit ihrem "Nein" als die Partei da, die gegen Ökostrom ist, einkommensschwache Haushalte nicht von der Ökostrom-Abgabe (etwa 70 Euro pro Haushalt) ausnehmen möchte, Arbeitsplätze zerstört und noch dazu ihren eigenen Städten und Gemeinden Industrieruinen überlässt, mäkeln ÖVP und FPÖ durchaus schadenfroh.
Der SPÖ ist die Novelle samt Verordnungsentwurf der Regierung zu intransparent, obwohl ihr diese seit geraumer Zeit vorliegt, und sie will Umweltministerin Elisabeth Köstinger keinen "Blankoscheck" in Millionenhöhe geben.
Nun will der Vizeklubchef der SPÖ, Jörg Leichtfried, ab Freitag neu verhandeln. Das ist riskant, weil die Novelle nicht mehr verändert werden und nur in dieser Form am Donnerstag beschlossen werden kann. Köstinger traf die Vorsitzende der Bundesratsroten, Inge Posch-Gruska, am späten Dienstagnachmittag zum seit dem Wochenende geplanten Austausch und um die SPÖ zu einem Umdenken zu bewegen. Sie wird nicht einlenken, sagt Posch-Gruska zur "Wiener Zeitung".
Auf der roten Slalom-Linie
Im Wesentlichen geht es in der Novelle zum Ökostromgesetz darum, die seit 2017 nach und nach auslaufenden Förderungen für Biomasseanlagen um drei Jahre zu verlängern. Dieses Anliegen kostet 150 Millionen Euro. Das ist seitens des Umweltministeriums als Übergangslösung bis zur größeren Reform im Ökosektor gedacht, die für 2020 anberaumt ist.
Denn bis dahin droht einigen Werken ohne diese Förderungen der finanzielle Tod. Über den niedrigen Strompreis kann sich ein beträchtlicher Teil, nämlich 47 der insgesamt 130 Anlagen, selbst nicht erhalten und muss zusperren. 60 Prozent dieser Anlagen, die ohne Gesetz aus der Förderung fallen, befinden sich zum Schaden der SPÖ in roten Städten und Gemeinden, in denen Industrieparks, Firmen oder öffentliche Gebäude mit Strom und Fernwärme versorgt werden. Das größte Einzelwerk steht in der einstigen SPÖ-Hochburg Wien-Simmering. Der Sozialdemokratie, die vor einigen Monaten unter Christian Kern noch selbst die Förderung der Biomasse zurückfahren wollte, gelang in den vergangenen Tagen die Flucht nach vorne nicht mehr allzu schlüssig. Einmal möchte sie nur "effiziente" Werke fördern, also nicht alle. Dann alarmiert sie, dass die Förderungen des Ministeriums insgesamt zu niedrig ausfallen könnten und die Hälfte der Werke den erforderlichen Brennstoffnutzungsgrad von 60 Prozent nicht schaffen werde. Dieser Nutzungsgrad steht allerdings schon seit 2009 im Gesetz.
Hauptsächlich hat das rote "Nein" zur Novelle aber damit zu tun, dass im Gesetz weder angegeben ist, welche Anlagen gefördert werden sollen, noch in welcher Höhe. Das soll erst nach dem Beschluss im Bundesrat per Verordnung des Ministeriums folgen.
Konkrete Förderhöhen in einem Gesetz wären zudem ein Novum, heißt es im Ministerium. In der gleichen Novelle steht zwar das durchschnittliche Jahreskontingent für Biogas (11,7 Millionen Euro), aber auch nur, weil es bis zu diesem Betrag gedeckelt ist. Eine solche Deckelung gibt es für die Biomasse nicht.
Posch-Gruska will die Biomasseanlagen in der großen Reform des Ökobereichs miteinarbeiten. "Ich muss die Förderungen auch jetzt rückwirkend beschließen", sagt sie. Dann eben 2020. Warum die Biomasse dem Reform-Prozess herausgerissen werde, verstehe sie ohnehin nicht. Wenn die Regierung von Anfang an mit der SPÖ gesprochen hätte, wäre das besser ausgegangen, sagt Posch-Gruska. Es hätten sich indes Betreiber bei ihr gemeldet, die gesagt hätten, dass die SPÖ nicht zustimmen solle, weil ihnen die kolportiert niedrigen Nachfolgetarife nicht helfen würden.
"Wir brauchen eine Lösung"
Die Grünen, im Bundesrat mit zwei Räten vertreten, werden für die Novelle stimmen. In Oberösterreich, Vorarlberg, in Tirol und in Salzburg haben die Grünen die Energieressorts inne und treten generell für Ökostrom ein. Auch sie finden es wie die SPÖ zwar problematisch, dass die Regierung die Novelle zum Ökostromgesetz per Initiativantrag im Nationalrat eingebracht hat und eine Begutachtung, etwa durch Experten oder die Länder, umging. "Aber wir brauchen eine Lösung", sagt Grünen-Bundesrat David Stögmüller.
Die Grünen haben einen Entschließungsantrag eingebracht, der die Ministerin ersucht, gemeinsam mit allen Fraktionen des Bundesrats "einen nachhaltigen Tarif für sämtliche effizienten Anlagen sicherzustellen". Ebenso besteht die Ökopartei im besagten Antrag darauf, dass die größere Reform im Ökobereich mit allen Fraktionen im Nationalrat sowie im Bundesrat besprochen werden soll, um ein Hick-Hack wie nun in der Diskussion um die Förderung der Anlagen zu vermeiden.
Aber nicht nur auf dem politischen Parkett wird die Förderung der Biomasseanlagen kritisch diskutiert. Auch Wirtschaft und Industrie sind sich über die Sinnhaftigkeit uneinig, weiter Geld in die Anlagen zu pumpen. Die Landwirtschaftskammer sieht die regionale Energieerzeugung als zusätzliche Einkommensquelle. Laut Papierindustrie gibt es keine Gründe für eine weitere Anlagenförderung, wenn sich die Werke nach 13 Jahren Förderdauer nicht selbst erhalten können.