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Verheugen, Günter

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Von unnützem Ballast wollte Günter Verheugen die Lissabon-Agenda befreien. Doch mit dem Ziel, die EU auf Wachstum und Arbeitsplatzbeschaffung auszurichten, könnte der Kommissar für Industrie- und Unternehmenspolitik scheitern.


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So beliebt er in einigen Kandidatenstaaten als Erweiterungskommissar war, so kritisiert wird er als Industriekommissar in seinem Land. Der Entwurf der Abschlusserklärung für den Frühjahrsgipfel kommende Woche sei ein unfokussiertes Sammelsurium politischer Forderungen, heißt es in Berlin. Dabei war Günter Verheugens Zielsetzung klar: Mehr Wachstum in Europa, Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze als oberste Priorität.

Doch dass die in Lissabon formulierte Aufgabe, bis 2010 die EU zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, in fünf Jahren nicht zu erfüllen sei, räumte auch Verheugen ein. Was vor allem an den nationalen Regierungen liegt: Die meisten EU-Staaten sind bei der Umsetzung säumig. Sie sollen nun verstärkt die Verantwortung übernehmen, indem sie nationale Aktionspläne erarbeiten. Zusätzlich kündigte der Industriekommissar und Vizepräsident eine Entrümpelung der Lissabon-Agenda an: 15 Oberziele, 120 Unterziele und 130 Indikatoren sind auch ihm zu unübersichtlich.

Die Notwendigkeit einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit betonte Verheugen schon bei seiner Anhörung vor dem Europäischen Parlament. Gleichzeitig verkündete er: "Wer am Sonntag die freie Marktwirtschaft hochleben lässt und montags protektionistische Maßnahmen fordert, wird bei mir eine verschlossene Tür vorfinden."

Offen war Verheugen hingegen für die EU-Ambitionen der ost- und mittelosteuropäischen Staaten. Maßgeblich hat er zur Erweiterungsrunde im Mai des Vorjahres beigetragen - und mit seinem Bericht zur Türkei das EU-Parlament und die Regierungschefs zu einer Fixierung des Verhandlungsbeginns mit Ankara bewogen.

In Deutschland startete der verheiratete Verheugen - der Geschichte, Soziologie und Politologie studierte - seine politische Karriere 1969 mit Öffentlichkeitsarbeit bei Innenminister Hans-Dietrich Genscher. 1982 wechselte er von der liberalen FDP in die SPD, wo er 1997 Mitglied des Parteivorstandes wurde.