Vor Inauguration wieder Repressionen in Weißrussland. | Konflikt mit Polen und Deutschland. | EU denkt über Sanktionen nach. | Minsk/Wien. Fünf weitere Jahre: Wenn Alexander Lukaschenko am heutigen Freitag anlässlich seiner Vereidigung zum Präsidenten Weißrusslands die Ehrengarde abschreitet, soll kein Demonstrant die Feierlichkeiten stören. Wohl auch deshalb hat das Regime von Minsk in den letzten Tagen den Druck auf die - ohnedies stark bedrängte - Opposition nochmals verschärft: Sicherheitskräfte durchsuchten Redaktionen unabhängiger Medien sowie Wohnungen von Regimegegnern und beschlagnahmten zahlreiche Computer.
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Die Polizei verhörte auch ausländische Journalisten, die über die gewaltsam niedergeschlagenen Proteste am Abend der Präsidentenwahl am 19. Dezember berichtet hatten: Ein Reporter der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza" wurde zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt, einem Korrespondenten des russischen "Kommersant" die Akkreditierung entzogen. In einer landesweit durchgeführten Razzia wurden zudem alle Werke des Schriftstellers Wladimir Neklajew - also jenes Präsidentschaftskandidaten, der bei den Protesten verletzt wurde und der immer noch in Haft sitzt - aus allen Geschäften entfernt. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. "So arg war es noch nie", sagen daher viele Weißrussen über die jüngste Repressionswelle seit den Wahlen.
Das negative Echo des Westens - so bleiben etwa die EU-Botschafter der Inaugurationsfeier demonstrativ fern - scheint Lukaschenko egal zu sein. In der internationalen Ausgabe der Staatszeitung "Sowjetskaja Belorussija", "The Minsk Times", erschien unter dem Titel "Hintergründe einer Konspiration" ein mit zahlreichen Dokumenten unterfütterter Artikel, der unter anderem Deutschland und Polen vorwarf, den Sturz Lukaschenkos betrieben zu haben. Die deutsche Regierung wies das als "völlig abwegig" zurück. Am Donnerstag legte Lukaschenko selbst nach: "Das ist keine Erfindung unserer Geheimdienste", sagte er und erklärte, die Gelder für den Umsturz stammten aus diesen beiden Ländern.
Dabei waren die letzten beiden Jahre von einer vorsichtigen Annäherung Weißrusslands an die EU geprägt: Minsk nahm an der "Ostpartnerschaft" Brüssels teil und sicherte sich mit einer klugen Schaukelpolitik zwischen West und Ost auch sonst viele Vorteile. Das Einreiseverbot, das Europa gegen Lukaschenko und einige seiner Mitstreiter wegen Wahlbetrugs und vor allem immer noch ungeklärter Fälle von Verschwundenen erlassen hatte - 1999 und 2000 soll eine eigens geschaffene Todesschwadron politische Gegner des Präsidenten eliminiert haben -, wurde ausgesetzt. Dass im weißrussischen Fernsehen vor den Präsidentenwahlen erstmals auch Kandidaten der Opposition ihr Programm präsentieren durften, schien ebenfalls auf eine leichte Liberalisierung hinzudeuten.
Wieder Einreiseverbot?
Doch die Annäherung ist Schnee von gestern: Brüssel bereitet bereits neue Sanktionen gegen die Führung in Minsk vor. Am 31. Jänner soll darüber entschieden werden. EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton setzte am Mittwoch die Oppositionellen als Druckmittel ein: Ein Einreiseverbot für Lukaschenko und seine Entourage sei "eine Option, wenn Festgenommene nicht freigelassen werden". Lukaschenko drohte der EU für diesen Fall ebenfalls Sanktionen an.