Der Journalist und Ressortleiter der außenpolitischen Redaktion der "Wiener Zeitung", Rainer Mayerhofer, wurde Dienstag abend im Alten Rathaus mit dem Willy-und-Helga-Verkauf-Verlon- | Preis des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes für österreichische antifaschistische Publizistik ausgezeichnet. Der Leiter des Dokumentationsarchivs, Wolfgang Neugebauer, würdigte | den Preisträger als engagierten Journalisten, seriösen Autor und kämpferischen Demokraten.
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Der Einladung zur Veranstaltung waren zahlreiche Besucher gefolgt: Darunter unter anderem die Eltern und Schwestern Rainer Mayerhofers; Frauen der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück ·
"die mir in all den Jahren, seit Rosa Jochmann mich dort eingeführt hat zu einer zweiten Familie geworden sind, die mir stets mit Rat und Tat und darüber hinaus mit Liebe und Herzensgüte geholfen
haben", so Mayerhofer in seiner Dankesrede ·; zahlreiche Freunde und Kollegen sowie sein langjähriger Chef, Bundesminister a.D. Franz Löschnak.
Die Historikerin Brigitte Bailer-Galanda, Mitglied der Historikerkommission und DÖW-Mitarbeiterin · aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich anwesend · würdigte Rainer Mayerhofer in ihrer
schriftlich überbrachten Laudatio:
"Deine zahllosen zeitgeschichtlichen Beiträge kreisen immer wieder um die Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung, vor allem aber um die Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung.
Diese Verfolgung traf politisch aktive Menschen ebenso wie jene, die aufgrund der Nürnberger Gesetze im März 1938 binnen weniger Stunden zu rechtlosen ,Anderen` stigmatisiert worden waren. Diese
Geschichte präsentierst Du aber nicht als unpersönliche Organisations- oder Politikgeschichte, sondern Du läßt sie über die persönlichen Erlebnisse von Beteiligten lebendig werden. Seien es die
Schicksale der Mitglieder der jüdischen Familie Delikat, seien es die Erinnerungen von Elisa Springer, an deren Übersetzung Du mitgearbeitet hast, sei es das Schicksal von Ernst Pollak, ein Porträt
von Primo Levi oder aber einer Deiner vielen Beiträge über Rosa Jochmann · immer spürt die Leserin/der Leser Deine Sympathie und Deine Parteinahme für die Menschen, deren Lebenswege Du einfühlsam
schilderst, Menschen, die Du soviel wie möglich selbst zu Wort kommen läßt. Und damit erfüllst Du in Deiner Arbeit eine ganz wesentliche Aufgabe zeitgeschichtlicher Aufklärung ... Ich bin überzeugt,
daß Du diesen heutigen Preis als Aufforderung zur Fortsetzung Deiner wichtigen Arbeit der antifaschistischen Aufklärung verstehst. Und nachlässig dürfen wir umso weniger werden, als Politiker
rassistischer Ausrichtung als ,demokratisch und normal` angesehen werden, als ausländerfeindliche und rassistische Forderungen Eingang in Politik und Praxis der regierenden politischen Kräfte
finden."
Symbolisch widmet Mayerhofer den Preis drei Frauen, die seine antifaschistische Arbeit wesentlich mitbestimmt haben. Dies sind Elisa Springer, eine Wienerin jüdischer Abstammung, die nach
jahrzehntelangem Schweigen in ihrem Buch "Das Schweigen der Lebenden" ihre Geschichte und die ihrer Familie erzählt, Rosa Jochmann, "die mir in den letzten 15 Jahren ihres langen Lebens zur
großmütterlichen Freundin geworden ist", sowie Aurelia Delikat. Diese Verwandte Rainer Mayerhofers hat zu Beginn der 30er Jahre einen jüdischen Witwer mit vier unversorgten Kindern geheiratet und
trotz größtem Druck der Nazis stets zu ihrem Mann gehalten und ihm so das Überleben ermöglicht.
Einen besonderen Dank richtete Mayerhofer an seine Eltern, "die mich seit frühester Jugend für Themen wie Faschismus und Antisemitismus sensibilisiert haben, nicht zuletzt, da die Mitglieder der
eigenen engeren oder weiteren Familie von den Ereignissen zwischen 1933 und 1945 und danach ja direkt betroffen waren."
Die Orte Flossenbürg, Auschwitz, Dachau, Bergen-Belsen, Minsk und Hartheim kennt der Preisträger demnach nicht nur aus der historischen Literatur, sondern auch aus der eigenen Familienbiographie.
Mayerhofer widmet sich in seiner Arbeit vor allem den menschlichen Schicksalen, jenen Geschichten, "die nur im kleinen Familienkreis und manchmal nicht einmal dort erzählt werden". Diese "verdienen
es, aufgeschrieben und dokumentiert zu werden, bevor sie mit ihren leider immer weniger werdenden Protagonisten für immer verloren sind."
"Rosa Jochmann hat oft erzählt, daß sie ihren leidenden Lagerkameradinnen, die keine Hoffnung mehr hatten, die Freiheit zu erleben, versprochen hat, nie zu schweigen, solange ein Hauch von Atem in
ihr sei. Diese Verpflichtung gilt heute für uns, ihre geistigen Erben. Der mir heute verliehene Preis ist eine Verpflichtung, in diesem Sinne weiterzuarbeiten", schloß Rainer Mayerhofer seine
Dankesrede.