Beim Geld gerät die blaue Erzählung von "denen da oben" und "uns hier unten" ins Schlingern.
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Wien. Bierzeltstimmung im Arkadenhof des Wiener Rathauses gegen Spendengala im noblen Innenstadt-Palais oder: Norbert Hofer versus Alexander Van der Bellen: Wenn es sich die FPÖ hätte aussuchen können, dann hätte sie den Aufeinanderprall der Wahlkampfwelten am Montagabend genau so inszeniert. Zu gut passt der Kontrast in die große freiheitliche Erzählung von denen da oben gegen uns hier unten, abgehobene Elite versus einfaches Volk.
Ein blaues Märchen . . .
So geht Wahlkampf, und maximale Vereinfachung hilft allen Seiten, in der verwirrenden Realität ihre Überzeugungen nicht zu verlieren. Differenzierung ist ein Luxus, den sich in Österreich kein Wahlkämpfer leisten zu können glaubt. Schließlich versprechen die Auguren demjenigen Kandidaten den ersehnten Einzug in die Hofburg, der am 2. Oktober sein Potenzial am besten ausschöpft.
Die FPÖ setzt auf dem Weg zu diesem Ziel auf das Märchen vom manipulierten Wahlausgang, weshalb ja der Verfassungsgerichtshof die Stichwahl aufgehoben habe. Am Montag jedenfalls war es Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus, der dieses Gift verstreute.
Das ist natürlich die glatte Unwahrheit - tatsächlich hat das Höchstgericht keinerlei Hinweise auch auf jedwede Art von Wahlfälschung festgestellt -, aber die Geschichte vom falschen Sieger Van der Bellen zieht eben ganz gut bei den eigenen Anhängern. Der Arkadenhof war angesichts des herbstlich trüben Wetters gut gefüllt mit Anhängern, die FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Hofer sehen und vor allem hören wollten - Bier und Kost zum Nulltarif taten wohl ein Übriges.
Ein paar hundert Meter weiter in der Innenstadt unweit des Grabens luden die SPÖ-affinen Netzwerker Nikolaus Pelinka und Ali Rahimi sowie Eveline Steinberger-Kern, die Ehefrau von Bundeskanzler Christian Kern, zur illustren Spendengala für den Wahlkampf von Van der Bellen. Der Andrang war groß, die Prominenten wenig überraschend vorwiegend rot angehaucht mit grünen Einsprengseln. Gesehen wurden, unter anderem, natürlich der Kanzler, sodann Wiens Spitzentandem Michael Häupl und Maria Vassilakou, Bildungsministerin Sonja Hammerschmidt, Sozialminister Alois Stöger, Kunstsammlerin Francesca Habsburg und mit Flüchtlingskoordinator Christian Konrad einer der wenigen mit schwarzem Hintergrund.
. . . und viel rot-grünes Pathos
Mit großen rhetorischen Gesten wurde auch hier nicht gegeizt: Am 2. Oktober stehe die Demokratie auf dem Spiel, meinte etwa sinngemäß Schauspieler Cornelius Obonja, der Kanzler erinnerte an den Großen Krieg vor hundert Jahren, der schließlich in Zerstörung und Faschismus geführt habe. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die Bundespräsidentenwahl unter den Politikaficionados weithin als vernachlässigbar an der Grenze zum Überflüssigen angesehen wurde. Van der Bellen selbst stieg dann auch auf die Pathosbremse und sprach lediglich von einer bevorstehenden Richtungsentscheidung.
Am Ende konnte er sich über 104.000 Euro für seine Wahlkampfkasse freuen, die bei der Versteigerung gespendeter Kunstwerke zusammenkamen. Den Höchstpreis erzielte mit 30.000 Euro ein Schüttbild - natürlich in Rot - von Hermann Nitsch.
Um Geld muss sich die FPÖ keine Sorgen machen. Seltsame Zeiten: Ein Establishment-Kandidat auf Spendensuche und eine unterdrückte "Folkspartei", die im Geld schwimmt.