1933 zitterte Adolf Hitler vor dem 1. Mai und einem Funkenflug ins Arbeiterheer, das ihm bis zuletzt die kalte Schulter gezeigt hatte.
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Es gibt eine Fülle von gewaltigen Maifeiern, mit Bonzen auf den Tribünen und Marschierenden im Staub der Straßen. Als historisch entscheidend ging wohl keine in die Geschichte ein. Und doch hätte eine das Zeug dazu gehabt. Sie jährt sich heuer zum 85. Mal als jener Tag, vor dem Adolf Hitler zitterte.
Der kleinste Funke bei den Maiaufmärschen in die 13 Millionen der SPD- und KPD-Wähler - und der Noch-nicht-Führer wäre im Splitterhagel verschwunden. Eine solche Wendung konnte nur noch das Heer der Arbeiterschaft herbeiführen. Denn die Männer des politischen Establishments, die Hitler als Kanzler einrahmen wollten, bis er "quietscht" (Zitat Zentrumspolitiker Franz von Papen als Hitlers Vizekanzler), hatten bereits kläglich versagt und fünf Wochen davor Deutschland an die Nazis verkauft. Die Zunge an der Waage war die Zentrumspartei unter ihrem Parteichef Ludwig Kaas. Der Priester handelte nach heutigem Wissen gänzlich im Sinne (nach Vorgabe?) des Vatikans. Und der wollte das Konkordat mit dem Reich. Die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz bedeutete für Hitler die erforderliche Zweidrittelmehrheit und für Kaas das Konkordatsversprechen. Dieses Ermächtigungsgesetz erlaubte es Hitler, Verträge mit dem Ausland zu schließen, sein Diktat war Gesetz und konnte von der Verfassung abweichen. Und so blieb nur noch die Arbeiterschaft als letztes Bollwerk gegen Hitlers Diktatur.
Ein Verbot der Maifeiern hätte Unmut bis hin zum Massenstreik auslösen können, genehmigte Maiaufmärsche wiederum den befürchteten Funkenflug, wie einst 1886 an der Wiege der Maifeiern, als eine Streikdemo mit Polizeigewalt aufgelöst werden musste. Siebzehn Menschen waren damals tot auf den Straßen Chicagos liegen geblieben, mehr als hundert verletzt worden. Vier Streikführer wurden später angeklagt und hingerichtet. Würde sich Ähnliches wiederholen, wäre es im Nu mit dem braunen Führungsanspruch vorbei. Noch besetzten Koalitionspartner und parteilose Egomanen die Schlüsselministerien Äußeres, Finanzen, Wirtschaft und Justiz in Hitlers Kabinett.
Auch wenn die Rabauken von der SA geschworen hatten, nichts dem Zufall zu überlassen, und Hitlers Innenminister Wilhelm Frick abkassierte, was an der SPD- und KPD-Basis auch nur entfernt verdächtig erschien - die Parteispitzen saßen ja bereits in den Verliesen oder hatten sich ins Ausland abgesetzt -, es war eine Zitterpartie. Denn die Frage, ob eine führungslos gewordene Arbeiterschaft unter Umständen nicht gefährlicher werden konnte als eine getrimmte, war nicht zuverlässig zu beantworten. Der Festtag aber zeigte, dass die Agitatoren der Nazis ganze Arbeit geleistet hatten. Brauchte es früher Mut, gegen den Widerstand der Arbeitgeber und Kapitalisten zu den Maidemonstrationen zu gehen, so brauchte es nun Mut, ihnen fernzubleiben. Unter Androhungen hatten die Nazis die Teilnahme zur nationalen Pflicht erklärt. Und die Arbeiterkolonnen marschierten unter den Hakenkreuzfahnen, Millionen von ihnen auch ganz ohne Zwang.
Einen Tag später setzten die Nazis gleich eines drauf: Sie besetzten und plünderten die Büros des Gewerkschaftsbundes und lösten ihn auf. Gleichzeitig gründeten sie die Deutsche Arbeitsfront. Der Arbeiterschaft wurden all diese Vorgänge nach 1945 vereinzelt zum Vorwurf gemacht. Ihnen und nicht den Herren der Mitte, die sie an Hitler verkauft hatten.