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Seit den Anschlägen von Norwegen wird die Homepage genauer beobachtet.
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Wien. "Der Feind glaubt an Allah", "Der Islam ist eine Todesideologie", "Wenn der Islam nicht bekämpft und ausgerottet wird, ist das der Untergang der Zivilisation" - das ist nur ein Bruchteil dessen, was auf der Homepage "Politically Incorrect" (PI), Deutschlands wichtigster Online-Plattform für Islamhasser, zu lesen ist. Das Sammelbecken für rassistische Meinungen zählt zu den größten deutschen Blogs, bis zu 60.000 Interessenten klicken nach Angaben des Betreibers täglich auf die Seite, die mit der rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit" vernetzt ist.
Muslime werden hier als "Muselmanen" bezeichnet, Minarette als "Plärrtürme". Gegründet wurde die Seite 2004 von dem Sportlehrer Stefan Herre, um sich "gegen die Islamisierung Europas" zu wehren. Den Begriff "Muselmane" findet er nicht verächtlich, der werde ja auch in anderen Ländern wie Frankreich benutzt.
Je mehr sich seine Gegner über ihn aufregen, desto heiterer wirkt der selbst ernannte Freiheitskämpfer. Herre hat kritische Berichte zu seinen Aktivitäten auf die Seite gestellt. Es gibt einen PI-Shop und Werbepartner, darunter Firmen wie "Chili Salami" oder die Donaufalter-Zeitung. Ein Werbepartner sagt, er wolle damit ein Zeichen gegen den Islam setzen. "Denn der ist purer Hass."
Solche Thesen und die Kommentare auf PI sind juristisch kaum angreifbar, denn genau hierbei handelt es sich um eine rechtlich verminte Zone: Wo genau die Grenze zur Volksverhetzung beginnt, ist schwer feststellbar. Die Justizminister der Europäischen Union haben sich 2007 auf einen Rahmenbeschluss gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geeinigt. Rassistische Hetze und Leugnung von Völkermorden sollen europaweit unter Strafe gestellt werden. Aber ist zum Beispiel die Bezeichnung "Muselmane" nun eine rassistische Meinungsäußerung und damit auch eine Straftat, oder handelt es sich hier um eine freie Meinungsäußerung?
Für die Betroffenen ist es zwar verletzend, für Juristen aber keine Straftat. Deswegen können solche Internetseiten kaum juristisch angegriffen werden. Die Betreiber achten genau darauf, gewisse Grenzen nicht zu überschreiten. Auf PI wird deswegen nachdrücklich betont, dass man sich zum Grundgesetz, zu den USA und zu Israel bekennt. So konnten lange Zeit die fragwürdigen Inhalte verbreitet werden.
Verständnis für Oslo-Täter
Doch am 22. Juli änderte sich die Welt: Als am Freitag um 15.20 Uhr die Innenstadt von Oslo bebte, dachten viele zunächst an ein Erdbeben. Doch dann wurde klar, dass es sich um einen Anschlag handelte, bei dem acht Menschen starben. Wenig später tötete der Attentäter Anders Behring Breivik auf der kleinen Insel Utøya 69 Teilnehmer eines sozialdemokratischen Jugendlagers. "Ich wollte ein Signal senden, das nicht missverstanden werden konnte", sagte der 32-Jährige bei seinen ersten Verhören und plädierte auf "nicht schuldig". Sein Motiv: Auch er wollte Europa vor der Islamisierung retten.
Während in der ganzen Welt getrauert wurde, gab es auf "Politically Incorrect" relativierende Kommentare. "Überall wo Moslems sind, gibt es Mord, Vergewaltigungen, Beleidigungen und Raub. Da ist es kein Wunder, wenn die Europäer die Schnauze voll haben." Ein anderer User schrieb: "Der Täter wurde durch die menschenfeindliche Politik dazu getrieben. Die Roten sind der Auslöser gewesen." Die freigeschalteten Kommentare sind schon redaktionell bearbeitet, die nicht veröffentlichten dürften noch hetzerischer sein.
Breivik-Manifest zitiert PI
Der Blogger mit dem Benutzername "Fjordman" schreibt besonders oft auf der Seite, und damit führt die Spur wieder zu dem Massenmörder Breivik. Denn der hat "Fjordman" als eine seiner Inspirationsquellen genannt. In seinem 1500-Seiten-Manifest, in dem er zuvor seine Gedanken niedergeschrieben hatte, finden sich über hundert Zitate von dem eifrigen PI-Blogger "Fjordman".
Wie die Führung des Blogs über die Anschläge denkt, zeigte ein interner Skype-Chat von PI-Administratoren, den das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" kürzlich veröffentlichte. Einen Tag nach dem Attentat erklärte dort "Anti 2007": "Mir tut es um die Leute sehr leid. Aber falls er ein Rechter war, dann jemand, der Eier in der Hose hat und nicht nur geredet hat, sondern auch zur Tat griff. Einer in Norwegen, der sich gegen die Übermacht der Linken und Muslime gewehrt hat." Der einstige Münchener CSU-Pressesprecher Michael Stürzenberger, der zum innersten Zirkel der Plattform gehört, rief später dazu auf, sich "nur nicht einschüchtern" zu lassen. "Hunderte Millionen Tote durch diese kriegerische Ideologie haben bisher offensichtlich auch niemanden betroffen gemacht."
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hält Islamkritik wie die auf PI nicht für grenzwertig, sondern grenzüberschreitend und hat sich deswegen schon mehrfach an den Verfassungsschutz gewandt. Nach dem Attentat in Norwegen sagte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, "Politically Incorrect" würde derzeit von den Sicherheitsbehörden genau mitgelesen und geprüft. Man halte die dort geäußerten Auffassungen für "undemokratisch" und dazu geeignet, junge Menschen "aufzuhetzen". Die Verfassungsschützer haben im September bei einem Treffen erstmals offiziell über die islamfeindliche Szene im Internet beraten - passiert ist aber nichts: PI taucht in keinem Verfassungsschutzbericht auf.
Das schwedische Pendant "Politisk Inkorrekt" - Schwedens "erfolgreichste" einwanderungs- und islamfeindliche Seite - wird Ende des Monats eingestellt. Als Grund geben die Macher zu große Arbeitsbelastung an. Eine Rolle dürfte aber auch spielen, dass in Folge des 22. Juli viele Mitarbeiter abgesprungen sind.