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Niederlagen ist nicht gleich Niederlage. Die bitterste Form ist dem ÖFB-Team seit Ewigkeiten erspart geblieben: unverdient verlieren.
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Wer den Fußball primär in Form von Ergebnissen konsumiert, kennt nur die halbe Wahrheit. So können beispielsweise Niederlagen nur in vier Kategorien eingeteilt werden. Es gibt knappe Niederlagen (0:1), klare Niederlagen (0:3), Debakel (ab 0:4) sowie, wenn’s sogar ganz schlimm kommt, die Kategorie "Valencia".
Verlieren kann man im Fußball aber auf so unterschiedliche Art und Weise, dass die bloße Ergebnisform ungenügend ist, um sich ein Bild von der Wirklichkeit zu machen. Niederlagen können zum Beispiel auch ärgerlich sein, wenn man nach schwacher Leistung als klarer Favorit verliert, allerdings ohne dass dies besonders gravierende Konsequenzen hat. So gesehen war das 0:2 von Favorit Österreich gegen Ungarn nicht bloß ärgerlich, da die Auswirkung mehr als nur eine Irritation war und zum Verlust des kollektiven Selbstvertrauens des Teams führte.
Dieses 0:2 war zum Teil sicher eine unglückliche Niederlage, weil Alabas Schuss die Stange und Dragovics Fuß unbeabsichtigt das Schienbein des Gegeners traf. Das war natürlich Pech. Dennoch, aufgrund eben der insgesamt schwachen Leistung, war es eine verdiente Niederlage gegen Ungarn, wie alle heimischen Medien befanden. In einer solchen Bewertung steckt immer auch ein Schuldbekenntnis und Bestrafungswunsch für eine schwache Leistung: Wir haben es nicht anders verdient!
Ihr Gegenstück, die unverdiente Niederlage, ist aber die Königsdisziplin des Verlierens. Sie passiert, wenn man trotz Aufopferung, einer starken Leistung und mehr Torchancen geschlagen das Feld räumen muss, weil sich das Schicksal gegen einen verschworen hat. Oder der Schiedsrichter, der alles andere als unparteiisch war. Vom Gefühl her.
Die unverdiente Niederlage ist besonders grauenvoll, nichts schmerzt im Moment mehr. Auf längere Sicht ist die verdiente Niederlage zwar problematischer, weil sie das so wichtige Selbstvertrauen zerfrisst. Wer dagegen unverdient verloren hat, hat immerhin gut gespielt und alles gegeben. Und dennoch ist es so furchtbar, denn die unverdiente Niederlage ist eine Schwester der Ungerechtigkeit, das macht sie so schwer erträglich. Ungerechtigkeiten sind für Menschen generell schwer aushaltbar, so gut wie jeder Revolution ging ein derartiges Kollektivgefühl voraus.
Österreich hat im Nationalteam mit diversen Varianten von Niederlagen Erfahrung, klaren bis blamablen, zuletzt eher knappen, meistens in der Version verdient, selten unglücklich, wie etwa beim 1:2 in Schweden, das die WM 2014 kostete. Das 0:2 gegen Ungarn war die Kombination aus unglücklich und verdient.
Ingesamt sind Niederlagen für die Nationalelf deutlich seltener geworden, nur vier Pflichtspiele gingen seit 2012 verloren, leider etwas blöd verteilt, sonst wären die WM 2014 sowie der Gruppensieg in Gruppe F machbar gewesen. Doch eine so richtig von Tränen und Verzweiflung begleitete unverdiente Niederlage ist Österreich seit Ewigkeiten erspart geblieben. Das hat freilich vor allem damit zu tun, dass viele Jahre die Leistungen nicht gut waren und die Aufopferungsbereitschaft, nun ja, sehr verbesserungswürdig war. Doch das ist Vergangenheit. Das jetzige Team kann gut spielen, kann sich aufopfern. Es wäre also alles da für . . . bitte nicht!