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Verlust einiger Quadratkilometer könnte drohen. | Für Ministerium Verträge hinfällig. | Brüssel/Eupen. Bisher war die Vennbahn im Grenzgebiet zwischen Belgien und Deutschland wohl nur eingefleischten Eisenbahnliebhabern ein Begriff, jetzt könnte sie die Völkerrechtler beschäftigen.
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Die Vennbahn verband seit Ende des 19. Jahrhunderts das norddeutsche Aachen mit den Industriegebieten in Luxemburg und Lothringen und hatte militärische Bedeutung im Ersten Weltkrieg. Zuletzt wurde sie nur noch als Touristenattraktion weitergeführt. In historischen Waggons konnten sich Besucher und Fans von Dampf- oder Dieselloks durch die malerischen Ardennen in Südostbelgien führen lassen. Die Strecke wechselte dabei mehrfach auf deutsches Staatsgebiet. Bereits 2001 wurde der Bummelzug dann endgültig eingestellt: "Das Ende einer der interessantesten Nebenbahnen Europas", bedauerte der Vennbahn-Verein.
Neue Grenzziehung?
"Internationale Konsequenzen" könnte jetzt der seit gut einem Monat stattfindende Rückbau der Gleisanlagen auf deutschem Gebiet haben, warnte Bezirkskommissar Marcel Lejoly von der Verwaltung des ostbelgischen Distrikts Lüttich in der Zeitung "Le Jour Verviers". Er bereite gerade einen entsprechenden Bericht an den belgischen Außenminister Karel de Gucht vor. Denn im Vertrag von Versailles seien nach dem Ersten Weltkrieg auch die auf deutschem Staatsgebiet liegenden Bahnhöfe, Schienenanlagen und direkt damit verbundene Gelände dem belgischen Königreich zugesprochen worden. So entstand im Westen des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen ein Korridor, der formell der Verwaltung Belgiens untersteht. Da sich durch den Abbau der Schienen die Gegebenheiten änderten, müsste eventuell die Grenzberichtigungskommission einberufen werden, meint Lejoly. Der Verlust von einigen Quadratkilometern Staatsgebiet drohe.
"Waren nur Richtlinien"
In der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens im Grenzgebiet zu Deutschland sieht man die Angelegenheit ganz anders. Im Versailler Vertrag seien lediglich grundsätzliche Richtlinien zur Grenzziehung verankert, erklärt Kabinettschef Leo Kreins vom Tourismus- und Infrastrukturministerium des autonomen deutschsprachigen Landesteils der "Wiener Zeitung". Die Grenzziehung an sich sei in einem Vertrag direkt zwischen Deutschland und Belgien 1922 fixiert worden, der noch 1929 und 1935 überarbeitet wurde. In keinem Fall sei eine Rückgabe des Gebiets an Deutschland im Falle der Einstellung der Vennbahn festgehalten worden. Darüber hinaus sei der heute bestehende Grenzverlauf noch einmal nach dem Zweiten Weltkrieg in einer gesonderten Vereinbarung für endgültig erklärt worden und die drei Verträge davor seien damit ohnehin hinfällig. Auch der Rückbau der Gleise habe somit "sicher keine Auswirkungen" auf das belgische Staatsgebiet, meint Kreins.
Schließlich habe es auch keinerlei Gebietsansprüche von deutscher Seite gegeben. Vielmehr gebe es große Unterstützung für den Gleisrückbau in den deutschen Anrainergemeinden. Hintergrund sei nämlich ein "großes einmaliges Fahrradwegprojekt", das auf der Trasse der Vennbahn entstehe. Das in Belgien bereits bestehende Radwegnetz auf der Vennbahn-Trasse erfreue sich schon größter Beliebtheit. Denn in den hügeligen Ardennen weise die ehemalige Schienenführung so gut wie keine Steigungen auf. Von Aachen über die deutschsprachige belgische Ortschaft Sankt Vith soll man künftig bis ins deutsche Städtchen Prüm mit dem Fahrrad reisen können. Dazu werden sieben der 36 Kilometer südlich des Ortes Monschau abgerissen.
Radweg statt Schienen
Dass die Vennbahn dort noch jemals gefahren wäre, wie manche Eisenbahnfreunde gehofft hätten, kann Kreins ausschließen: Denn in Ostbelgien seien die Schienen schon weitgehend entfernt. Die Erhaltung der Gleise auf deutschem Gebiet ab Monschau mache daher keinen Sinn: Der Zug führe ins Leere. Darüber hinaus sei das Schienennetz ohnehin in sehr marodem Zustand gewesen. Schuld daran sei nicht nur die fehlende Wartung, sondern auch zunehmender Schienendiebstahl gewesen. Die immer schlechter besetzten und seltener fahrenden Touristenzüge hätten sich über weite Strecken nur noch sehr langsam fortbewegen können. Die Zukunft gehört den Fahrradfahrern.