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Verliert die Stadt 10 Millionen?

Von Christian Rösner

Politik
Aus dem ehemaligen Schlachthof in St. Marx wurde mit der Neuentwicklung des Areals ein politisches Schlachtfeld.
© Wienwiki

Wiener ÖVP warnt davor, dass kasachische Beteiligung am MQM der Stadt teuer zu stehen kommen könnte.


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Wien. "Unglaubliche Geheimpolitik", "eklatante Schieflage" "misslungenes Geschäft", "politischer Kriminalfall": Diese Worte fallen der Wiener ÖVP ein, wenn sie von der Eigentümerkonstruktion des Media Quarter Marx im 3. Bezirk sprechen. Nicht genug, dass der Partner der städtischen Technologieagentur über drei Ecken der umstrittene kasachische Ex-Botschafter Rakhat Aliyev ist - er hat auch noch bis Ende Dezember eine Option zum Kauf der Gesamtanteile, so die Kritik.

Bei der zuständigen Wiener Wirtschaftsagentur betont man einmal mehr, dass im Zusammenhang mit der Entwicklung des Media-Clusters alles rechtens abgelaufen sei. Und man wirft der ÖVP schädigendes Verhalten für das Projekt vor. Nachsatz: "Und überhaupt: Warum sollte ein Investor ein Projekt kaufen, das mit 50 Millionen Euro an Krediten behaftet ist?"

Zur Erklärung: Das Mediaquarter Marx wurde im Zuge eines Private-Public-Partner-Ship-Modells (PPP) entwickelt. Bei dieser Art von Partnerschaft geht es darum, die für bestimmte Aufgaben notwendigen Ressourcen wie Kapital, Personal und Fachwissen in einem gemeinsamen Projekt zu vereinigen. Damit ein solches Projekt realisierbar ist, wird in der Regel eine Zweckgesellschaft gegründet - im aktuellen Fall die MQM Errichtungs- und Verwertungs GmbH, vertreten durch die städtische Technologieagentur ZiT und die VBM (siehe Kasten rechts).

Dass die VBM wiederum von einer Holding finanziert wird, die dem kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Aliyev nahesteht, wird von der ÖVP schon länger kritisiert. Aliyev wird von Kasachstan unter anderem Mord und Entführung vorgeworfen. In Österreich laufen gegen ihn einige Strafverfahren. Auch dass es damals bei der Investorensuche keine Ausschreibung gegeben habe und am Ende ausgerechnet der rote Nationalbankpräsident Adolf Wala ins Boot geholt wurde, findet die ÖVP höchst verdächtig. Und jetzt ist im Zuge einer Prüfung bekannt geworden, dass die VBM seit 2010 eine Option zum Kauf der Gesamtanteile hat, die mit Ende des Jahres ausläuft. Und zwar um einen "wertgesicherten Gesamtabtretungspreis von 5,2 Millionen Euro".

Damit hätte Rakhat Aliyev die Möglichkeit, hundertprozentiger Eigentümer des MQM zu werden beziehungsweise sogar einen dritten Partner an Bord zu holen, ohne dass die Stadt darauf Einfluss nehmen könnte. "Viel zu billig", erklärt ÖVP-Wirtschaftssprecher Alexander Neuhuber am Montag. Denn der Immobilientreuhänder hat sich ausgerechnet, dass sich die Stadt damit 10 Millionen Euro entgehen lassen würde: Ohne Optionsrecht könnte das Gesamtprojekt um 89 Millionen Euro verkauft werden. Abzüglich der Projektkosten von 62 Millionen würden dann 27,3 Millionen übrig bleiben, von denen der Stadt 17,6 Millionen zustehen.

Anfechtung gefordert

"Wird die Option gezogen, dann bleiben der Stadt nur knapp 7,4 Millionen", meint Neuhuber. Laut seinen Berechnungen hätte die Stadt bisher nämlich netto nur 2,2 Millionen Euro verdient, weil sie einen Teil des durch den Grundstücksverkauf lukrierten Gewinn von 7,1 Millionen wieder investiert hat. Das mache plus dem Gesamtabtretungspreis von 5,2 Millionen der VBM eben nur rund 7,4 Millionen Euro aus. Deswegen fordert die ÖVP nun auch die zuständige Finanzstadträtin Renate Brauner auf, die Option noch rechtzeitig anzufechten.

Eine Sprecherin der Wirtschaftsagentur bestätigt auf Anfrage, dass es eine entsprechende Kaufoption gibt, versichert aber, dass sie bis dato noch nicht gezogen wurde. Und von einem schlechten Geschäft könne überhaupt keine Rede sein, heißt es. Es sei damals schwer gewesen, für so ein spezielles Projekt einen Investor zu finden. Und ausgeschrieben werde in der Regel nicht, wenn man Geldgeber für eine Idee sucht, erklärt die Sprecherin. Außerdem seien alle Beschlüsse unter Anwesenheit von Wirtschaftskammerpräsidentin Brigitte Jank gefallen, die im Präsidium des Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF) gesessen ist.

Und die Option für den Partner sei so gesetzt worden, dass kein Haftungsrisiko für die ZiT entsteht. Man verfüge zwar über eine prozentuelle Gewinnbeteiligung. "Aber wir agieren nicht wie ein Investor am freien Markt, der nur auf möglichst viel Rendite aus ist. Das ist ein Stadtentwicklungsprojekt, mit dem man Arbeitsplätze sichern wollte und nicht möglichst viel finanziellen Gewinn", so die Sprecherin. Aliyev hin oder her, die offiziellen Geschäftspartner hätten das Projekt sehr zuverlässig abgewickelt. Und das Projekt sei erfolgreich, wird versichert: Der aktuelle Vermietungsgrad der Medien-Immobilie liege bei knapp 90 Prozent.

Nichtsdestotrotz hat die ÖVP nun einen Fragenkatalog erstellt, den sie Brauner - die auch Präsidentin der Wirtschaftsagentur ist - unterbreiten will. Man wolle über den gesamten Deal informiert werden. Und man wolle wissen, warum an der "Partnerschaft mit der Familie Aliyev" festgehalten werde beziehungsweise, warum die Stadt überhaupt so eine Beziehung eingegangen sei. Laut Aliyev selbst seien nämlich sowohl Bürgermeister Michael Häupl als auch Renate Brauner von Anfang an eingeweiht gewesen. Das steht zumindest in seinem aktuellen Buch "Tatort Österreich" im Kapitel "St. Marx - das Debakel von Wien". Aliyev schreibt etwa, dass er sich daran erinnert, bei einem Eishockey-Spiel der Vienna Capitals Brauner die Partnerschaft mit der Stadt "erfolgreich schmackhaft gemacht" zu haben.

"War Gesundheitsstadträtin"

Renate Brauner streitet das im Übrigen vehement ab. "Ja, es stimmt, ich war einmal in meinem Leben auf einem Match der Capitals - aber das war im Jänner 2006. Und die Absurdität der Behauptung richtet sich schon dadurch selbst, dass ich zu dem Zeitpunkt noch Gesundheitsstadträtin war", erklärt Brauner in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Sie habe demnach nie mit Aliyev über das MQM geredet. "Ich kann mich an den Herrn in keinster Weise erinnern und ich kenne ihn auch nicht", versichert Brauner. Und auch im Büro von Michael Häupl dementiert man Gespräche zum Thema Medienquarter mit Aliyev.


Der WWFF verkaufte die ehemaligen Gustana-Grundstücke an die Projektgesellschaft MQM im März 2007 zu einem Kaufpreis von 7,1 Millionen Euro. Der Kaufpreis wurde damit mehrheitlich (dem Gesellschafteranteil von 60 Prozent entsprechend) von der VBM finanziert. Die Grundstückstransaktion wurde vom Rechnungshof geprüft und von diesem nicht beanstandet.

Die Fertigstellung des Gebäudes erfolgte im Frühjahr 2012. Das Herzstück des Medienclusters ist das MQM 3, das auf seinen rund 35.000 Quadratmetern Nutzfläche mittlerweile 40 Unternehmen mit rund 1000 Beschäftigten beheimatet. Damit ist das Gebäude (u.a. Sitz der "Wiener Zeitung" und der ProSiebenSat1Puls4-Gruppe, aber auch der Start-up-Initiative Mingo) zu 90 Prozent vermietet. Der ORF sicherte sich 2012 für 240.000 Euro ein Grundstück, ließ aber die Option wieder fallen.

Wissen: Media Quarter Marx

Die operative Genese des Projektes Mediaquarter Marx (MQM) begann im Jahr 2005 mit dem Erwerb der Liegenschaft der Firma Gustana durch den Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF) - mittlerweile Wiener Wirtschaftsagentur - im seinerzeitigen Schlachthofgelände St. Marx. Dazu gibt es entsprechende Beschlüsse des Präsidiums des WWFF, in dem auch die Wirtschaftskammer vertreten ist.

2006 wurde mit der Suche nach einem konkreten privaten Partner für ein PPP-Modell begonnen. Unter anderem haben Gespräche mit der Porr und der Prisma stattgefunden. Gegen Ende 2006 bot der ehemalige Generaldirektor und Präsident der Nationalbank Adolf Wala an, in dieses Projekt gemeinsam mit Investoren einzusteigen. Die Gesellschafter des privaten Partners VBM setzten sich zu je 33,33 Prozent aus Adolf Wala, Christian Bodics sowie der ITN Management GmbH zusammen. Infolge der Übernahme der Funktion eines Vorstandes der Fimbag, der Finanzmarktbeteiligungs AG des Bundes, wurden Walas Anteile im Jahre 2010 von ITN übernommen.

Die MQM Errichtungs- und Verwertungs GmbH wurde als Projektgesellschaft am 1.2.2007 gegründet und steht zu 40 Prozent im Eigentum der ZIT und zu 60 Prozent im Eigentum der VBM. Bis zum 4. Oktober 2012 hatte die ZIT angeblich keine Kenntnis davon, dass die AV Maximus Holding AG über die VBM an dem Projekt beteiligt war und ist. Erst zu diesem Zeitpunkt erklärte sich laut Wirtschaftsagentur die AV Maximus Holding AG bereit, Auskunft über die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben. Eigentümerin der AVM ist Elnara Shorazova, die Ehefrau des ehemaligen Botschafters der Republik Kasachstan in Österreich, Rakhat Aliyev.