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Verloren auf offener See

Von Daniel Bischof

Politik

Staaten wie Malaysia schicken Flüchtlingsboote einfach auf das Meer zurück - eine Praxis, die gegen das Völkerrecht verstößt?


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Bangkok/Jakarta. Tausende Menschen, die auf völlig überfüllten Flüchtlingsbooten auf offener See vor sich hintreiben. Flüchtlinge, die erstochen oder von Bord geworfen werden, weil die knappen Vorräte nicht für alle reichen. Nicht nur vor den Toren Europas, auch im Meer in Südostasien spielen sich solche Flüchtlingsdramen ab.

Zehntausende sind dort auf der Flucht. Viele von ihnen sind Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya, die in Myanmar Diskriminierungen und Gewalt ausgesetzt sind - in letzter Zeit kamen zudem Armutsflüchtlinge aus Bangladesch hinzu. Über den Golf von Bengalen versuchen die Flüchtlinge nach Thailand, Indonesien oder Malaysia zu gelangen. Doch in ihrer vermeintlich neuen Heimat ist man über die Ankömmlinge nicht erfreut. Thailand geht hart gegen Schlepper vor, Malaysia und Indonesien schicken Flüchtlingsboote zurück aufs offene Meer. Am Montag teilte die indonesische Marine mit, dass sie am Sonntag erneut ein mutmaßliches Flüchtlingsboot abgewiesen habe. Das Schiff sei daraufhin zurück Richtung Malaysia gefahren.

Durch diese Praxis werden tausende Menschen ihrem Schicksal überlassen. Laut den Berichten von Überlebenden wird auf den überfüllten Booten um die wenigen Vorräte gekämpft - mindestens hundert Menschen sollen erschlagen, erstochen oder schlicht über Bord geworfen worden sein. Allein vor der Küste von Myanmar sollen laut Angaben von geretteten Flüchtlingen noch mindestens drei Boote hilflos herumtreiben.

Der Völkerrechtsprofessor und Seerechtsexperte Richard Collins vom "University College Dublin" hält dieses Vorgehen im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" für völkerrechtswidrig: "Es gibt die völkerrechtliche Verpflichtung jenen Menschen zu helfen, welche sich in Seenot befinden."

Wie weit muss die Hilfe gehen?

Uneinig sind sich die Völkerrechtsexperten aber in der Frage, wie weit diese Hilfe gehen muss. "Das ist eine rechtliche Grauzone", meint etwa der Völkerrechtler Ralph Rotte gegenüber der APA. Sollten die Flüchtlinge nicht unmittelbar verfolgt werden, würden Lebensmittel- und Wasserspenden an die Flüchtlinge an Bord rein rechtlich ausreichen.

Collins sieht das anders: Von der "Suchen-und-Retten-Konvention" werde auch die Pflicht mitumfasst, Flüchtlinge zu einem nahe gelegenen, sicheren Hafen zu bringen. Egal ob ein Staat dieser Konvention nun beigetreten sei oder nicht - die meisten Länder würden heutzutage akzeptieren, dass Flüchtlinge in nicht seetauglichen Booten an einen sicheren Ort gebracht werden müssen. Außerdem müsse man auch die völkerrechtlichen Menschenrechtsgrundlagen beachten, so Collins. Es sei Völkergewohnheitsrecht, dass Flüchtlinge nicht dorthin zurückgeschickt werden dürfen, wo ihnen Folter und andere Misshandlungen drohen. Das könnte bei Ländern wie Myanmar aber der Fall sein. Staaten, die nun gegen dieses Verbot des Zurückschickens verstoßen, würden deswegen klar das Völkerrecht verletzen, so Collins.