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Verloren im Gesundheitswesen

Von Katharina Schmidt

Politik

Migranten durch Sprachbarriere und schlechte Information benachteiligt.


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Gmunden. Nennen wir sie Denise. Die 46-jährige Bosnierin hat in ihrer Heimat maturiert, seit 22Jahren lebt und arbeitet sie in Österreich. Derzeit als Putzfrau in einem Spital. Mehrmals pro Woche holen die Ärzte sie, wenn sie mit bosnischen Patienten kommunizieren wollen. "Wenn Patienten merken, dass ich ihre Sprache spreche, dann spüre ich ihre Freude und Erleichterung", sagt sie. Gleichzeitig könne es sogar vorkommen, dass sie eine Art "Diagnose" stellen muss. Etwa, wenn ein Schlaganfall-Patient sich nicht richtig äußern kann. Oft kümmert sich die Putzfrau in ihrer Freizeit um die Patienten.

Fälle wie diese gibt es viele. Denn die Sprache ist eines der größten Hindernisse für Menschen mit Migrationshintergrund, gleichberechtigt am österreichischen Gesundheitssystem teilzuhaben, wie dieser Tage die Experten beim Dialogforum Integration, das die Donau Universität Krems in Gmunden veranstaltet, verdeutlichten. So kommt es aufgrund mangelnder Verständigungsmöglichkeiten zwischen Patient und Arzt immer wieder zu Behandlungsfehlern, sagt Herbert Herbst vom LKH-Salzburg.

Kinder als Dolmetscher: Fehlerquote hoch

Neben den Putzfrauen müssen oft auch Familienangehörige aushelfen. Dann "ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Information, die der Mediziner vermitteln will, verzerrt wird, mehr als 50 Prozent", sagt Herbst. Er koordiniert den hausinternen Dolmetschdienst mit 21 Sprachen, den das LKH vor vier Jahren als österreichweit einziges Spital eingeführt hat.

Für einen externen Dolmetschdienst mit weiteren 36 Sprachen gibt das Spital bis zu 100.000 Euro im Jahr aus - die Kosten etwa für einen Aufenthalt auf der Intensivstation nach einer Fehldiagnose wären aber ungleich höher, sagt Herbst.

Im Frühjahr 2013 startet auch ein Pilotprojekt Videodolmetschen der Plattform Patientensicherheit und dem Gesundheitsministerium. Und im Bildungszentrum Maximilianhaus der Diözese in Attnang-Puchheim (OÖ) wird ab Herbst ein Lehrgang für Laiendolmetsch im Kommunalbereich angeboten. "Man muss die Ressourcen der Migranten - etwa Zweisprachigkeit - nutzen, auch stellt sich die Frage, wie sich Menschen integrieren sollen, wenn sie im Gesundheitssystem benachteiligt sind", betont Lehrgangsleiterin Remiza Traubenek.

Ähnlich sieht das die Forscherin Anna Faustmann von der Donau Uni Krems: "Integration ist soziale Teilhabe - und physische wie auch psychische Gesundheit ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass man überhaupt am sozialen Leben teilhaben kann", sagt sie. Dabei stellt nicht nur die Sprachbarriere eine Hürde für Migranten dar.

Generell haben Menschen mit türkischem und ex-jugoslawischem Migrationshintergrund einen schlechteren gesundheitlichen Allgemeinzustand als Österreicher. Allerdings weist Faustmann auf den "Healthy Migrant Effect" hin: Die Strapazen einer Auswanderung nehmen nur die besonders Gesunden auf sich, daher sind Migranten oft sogar gesünder als die Autochthonen. Ein Effekt, der sich ausschleifen kann - etwa durch psychosomatische Erkrankungen in Folge traumatischer Fluchterlebnisse oder belastende Arbeitsbedingungen.

Denn klar ist, dass zum Beispiel die ehemaligen "Gastarbeiter" schlechtere Bedingungen haben, langfristig gesund zu bleiben. Zu den schwierigeren Bedingungen komme ein Mangel an Wissen über das österreichische Gesundheitswesen. Ein klassisches Beispiel dafür ist, dass oft in den Spitalsambulanzen sehr viele Menschen mit ex-jugoslawischem Migrationshintergrund anzutreffen sind. Kein Wunder: In Titos Jugoslawien gab es kaum praktische Ärzte, dafür aber Gesundheitszentren - wie übrigens in Großbritannien heute noch.

Im Gesundheitswesen ist für Faustmann eine beiderseitige Öffnung notwendig - sowohl seitens der Patienten als auch seitens des Personals, das ebenfalls immer vielfältiger wird. Anfang November startet die Donau Uni daher einen berufsbegleitenden Lehrgang "Migration und Gesundheit", den Faustmann leiten wird. Dabei gehe es auch darum, Vertreter aller Richtungen, die mit dem Thema befasst sind, zusammenzubringen - und sie zu Multiplikatoren auszubilden.

So werden Fälle wie jener von Denise vielleicht seltener.