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Verlorene Kriege · Gewonnene Schlachten

Von Herbert Schambeck

Politik

Erinnerungen an Oberst Imre Reviczky · Weltkrieg und Holocaust in Ungarn, hrsg. von Katalin Reviczky, Böhlau, 1996.


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Die Freude über die politische Wende vor zehn Jahren und die folgenden Möglichkeiten einer neuen Ordnung Europas sollen nicht das Schicksal jener oft heldenhaften Menschen vergessen lassen, welche

in der vorhergehenden schweren Zeit autoritärer und totalitärer Regime sich für die Wahrung der Menschlichkeit gegenüber aus rassischen oder politischen Gründen Verfolgter eingesetzt haben. Zur

Geschichtsbewältigung gehört es auch, jene Persönlichkeiten dem Vergessen des Zeitenlaufes zu entreißen und der nachfolgenden Generation als beispielgebende Wegweisung zu vermitteln.

Zu diesen Persönlichkeiten, die in einer finsteren Weltnacht dieses nun zu Ende gehenden Jahrhunderts unter Einsatz ihres Lebens und bei Gefährdung auch ihrer Familie Gutes Menschen im Schatten der

damaligen Politik getan und so oft ihre Existenz gerettet hat, gehört der ungarische Oberst Imre Reviczky (1890 - 1957). Über diesen Nachfahren einer auf das 13. Jahrhundert zurückgehenden

ungarischen Adelsfamilie hat sein Sohn, Dipl.-Ing. ½dám Reviczky (1921 - 1993), der selbst ein auch von Österreich ausgezeichnet gewesener Umweltexperte war, eine Biographie geschrieben, welche in

verdienstvoller Weise nach der schon 1985 in Budapest erschienenen ungarischen Ausgabe, auf Grund der verdienstvollen Initiative dessen Tochter Dr. Katalin Reviczky, die lange Zeit Dankenswertes in

der ungarischen Botschaft in Wien nach der Wende geleistet hat, in deutscher Ausgabe veröffentlicht hat. Es ist anerkennenswert, daß der Wiener Böhlau Verlag mit finanzieller Unterstützung

Österreichs, offizieller und privater Institutionen und Personen, dieses Buch publizierte.

Das Buch mit dem treffenden Titel "Verlorene Kriege · Gewonnene Schlachten" vermittelt mit dem Leben von Imre Reviczky auch den Einblick in die lange Geschichte seiner Familie und vor allem auch das

Schicksal eines ungarischen Militärs während der beiden Weltkriege sowie der Zwischen- und Nachkriegszeit. Geradezu minutiös recherchiert anhand vieler familiärer Notizen, freundschaftlicher

Informationen und Zeitungsstimmen auch aus dem Ausland gelingt ½dám Reviczky nicht nur ein plastisches Gemälde der Persönlichkeit seines Vaters, sondern auch seiner Zeit, nämlich der untergehenden

Monarchie, des Horthyregimes, der Pfeilkreuzler und der Zeiten der kommunistischen Herrschaft. Die Welt des ungarischen Militärs wird konfrontiert mit dem wechselnden politischen Umfeld, in das der

Leser bei seiner immer spannender werdenden Lektüre eingebunden wird.

Zentrum des Buches ist mit Recht die Darstellung der heldenmütigen Rettung 1944 vieler für das damalige NS-Regime mißliebiger Menschen durch Imre Reviczky, vor allem Ungarn und Rumänen, was auch nach

dem 2. Weltkrieg ihm keine entsprechende Anerkennung in Ungarn, sondern weitere Verfolgung brachte. So war er in der kommunistischen Zeit einkommenslos Arbeiter in einem ungarischen

Brennmateriallager.

Die politische Wende, damit das Ende des Kommunismus und die Würdigung seiner mutigen Leistungen von anderen Ländern sowie in Ungarn selbst bezeugende Anerkennung seiner oft lebensrettenden Aktionen

hat Imre Reviczky nicht mehr erlebt, aber sein Sohn und dessen Familie.

Dieses Buch ist hiezu geradezu ein literarisches Denkmal für einen verehrungswürdigen Ungarn, das zum "Niemals wieder" wertvoll beizutragen vermag.