Anbieter von Online-Glücksspiel wirbt immer aggressiver - mit sanften Methoden. Aus Sicht der Regierung ist das illegal, Konsequenzen hat es keine.
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Wien. In der Gratiszeitung "Heute" trägt das Christkind dieses Jahr grünen Anzug, Melone, gelbe Krawatte und stützt sich lässig auf seinen grünen Regenschirm. Seine Gaben: "Christkind für krebskranken Bruder", "Speziallupe für tapferen Manuel", "500 Euro für schwerkranke Mama!", "Papa starb: Christkind spendet Trost."
Es gibt sogar "500 Euro" für Kater Petzi, der, "nach einer Rauferei am Ohr operiert werden muss". Unter diesen Geschichten, die fast täglich und zuletzt gar mit Autorenzeile erschienen, heißt es: "Haben auch Sie einen Herzenswunsch? Schreiben Sie ein Mail an unser Christkind!"
420 Online-Games
Zweifelsohne eine schöne, vorweihnachtliche Aktion der Zeitung für Menschen in Not - "mit freundlicher Unterstützung von Mr. Green".
Mit derart sanften Methoden drängt der schwedisch-maltesische Anbieter von Internet-Glücksspiel mit 420 Online-Spielen immer aggressiver in den heimischen Markt. Es greent so green im TV-Programm der "Kronen-Zeitung", auf Facebook, Twitter, im Privat-TV, auf elektronischen Billboards an den Hauptverkehrsrouten nach Wien. Dass Mr. Green kurz vor dem Wiener Verbot von Spielautomaten omnipräsent ist, habe nichts damit zu tun, heißt es seitens der Firma. Mr. Green habe aber sehr wohl "seine Aktivitäten erweitert".
Was irritiert: Nach österreichischer Rechtslage ist das grüne Christkind streng genommen illegal. Das gilt auch für die Konkurrenz von bwin oder William Hill. Denn einzig win2day von Casinos Austria hat eine Bundeskonzession des Finanzministeriums für Online-Glücksspiel. Aus dem Ministerium heißt es: "Aus Sicht des Finanzministeriums ist jegliche Art von Glücksspiel nur für Besitzer von Bundeskonzessionen zulässig." Spielaktivitäten ohne eine solche Konzession seien "rechtlich nicht gedeckt". Und wie steht es mit der Werbung?
"Auch hierzu haben wir eine klare Rechtsansicht: Die Werbung ist nicht legal", heißt es aus dem Ministerium.
Exekutiert wird das Werbeverbot nicht. Dabei widmet das Regierungsprogramm dem Online-Glücksspiel eine eigene Seite. Da heißt es unter anderem: "Weiters sollen die Werbeverbote für nicht lizenzierte Anbieter, insbesondere im Online-Bereich, effektiver umgesetzt werden." Nicht lizensiert heißt: ohne Konzession.
Zum Online-Gaming nahm sich die Regierung vor, "im Kampf gegen das nicht lizenzierte Online-Glücksspiel neue, auch grenzüberschreitende wirkende Kontroll- und Sanktionsmechanismen einzuführen."
Geschehen ist bisher nichts. In den diversen Ministerien fühlt sich niemand so recht zuständig.
Das hat einen Grund, der ebenfalls grenzüberschreitend ist: die Dienstleistungsfreiheit der EU. "Mr. Green verfügt über Lizenzen, ausgestellt von Lotteries and Gaming Authority of Malta, einem vollwertigen EU-Mitgliedstaat, mit allen Regeln der Dienstleistungsfreiheit", kontert Bo Wänghammar, der CEO von Mr. Green, Vorwürfen, ohne Lizenzen zu spielen. Die EU regelt das Glücksspiel nicht direkt, deswegen landen Streitfälle immer wieder vor dem Europäischen Gerichtshof. Das will sich die Regierung offenbar ersparen.
Mr. Green bietet seit 2008 in Österreich an und ist zu 100 Prozent an der Börse Stockholm. Umsatz 2013: 52 Millionen Euro, 112 Mitarbeiter am Firmensitz in Malta, die restlichen 33 in Schweden.
Setzen, so viel man will
Zu Einsatzlimits hieß es beim Selbstversuch auf der Spielerhotline: "Sie können einzahlen und spielen so viel sie möchten." Gegen Spielsucht kann man sich bei Mr. Green freiwillig selbst schützen. "Schon bei der Registrierung werden ausnahmslos allen Spielern Limit-Einstellungen vorgeschlagen." Diese Limits sind 7 Tage nicht veränderbar. Beim Selbstversuch konnte ein quasi grenzenloses Verlustlimit von 9.999.999 Euro und ein Einzahlungslimit von 999.999 Euro pro Woche problemlos erreicht werden. Die Hotline bestätigte es.
Zwischen EU-Dienstleistungsfreiheit und der nationalen Glücksspielpolitik, die derzeit nur auf dem Papier steht, können sich Spieler vor Weihnachten also reich beschenken - mit Glück. Das hat man halt in Summe seltener als Pech. Siehe die 52 Millionen Euro Umsatz.