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Vermeer: Raubkunst oder nicht?

Von Hans Haider

Analysen

Präzedenzfall Heiligenkreuz: Kaufpreis ist ohne Belang. | Causa Czernin: Gelingt ein Nachweis der Verfolgung? | Raubkunst oder nicht? Wiedergutmachung oder nicht? Die Erben nach dem 1966 verstorbenen Grafen Jaromir Czernin wollen Jan Vermeers "Malkunst" aus dem Kunsthistorischen Museum (KHM) holen. Experten und Akteure in der erst 1998 auf taugliche gesetzliche Beine gestellten Kunst-Restitution wurden überrascht, und gewiss auch die Politik. Denn wenn immer in den Restitutionsdebatten ein Exempel genannt wurde für den Verlust jedweden Anspruchs, war es der Fall Czernin.


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Auch der 2006 verstorbene Journalist Hubertus Czernin, der sich die Rückgabe von den Nazis entzogenen Eigentums zum Lebensthema machte, legte sich 1998 in einem "Standard-Artikel fest: Die vom entfernten Onkel Jaromir begehrte Restitution sei "zu Recht nicht erfolgt", weil nie der Nachweis gelang, dass das Spitzengemälde in der Familiengalerie "wegen politischen Drucks" an Adolf Hitler verkauft werden musste. Nachdem er 1,65 Millionen Reichsmark (RM), rund 100 Millionen Schilling, überwiesen bekommen hatte, biederte sich Graf Czernin 1940 in einem Brief bei Hitler an: "Ich bitte meinen aufrichtigsten Dank entgegennehmen zu wollen. "

Weiters ist belegt, dass Jaromir Czernin schon vor Hitlers Machtergreifung versuchte, den Vermeer auf den Weltmarkt zu bringen. Das Kunstausfuhrverbotsgesetz hinderte ihn daran. Als Czernin 1940 mit dem Industriellen Reemtsma handelseins war, wurde die Reichskanzlei hellhörig. Reemtsma hatte zwei Millionen Mark geboten. Aus Wien wurde berichtet, der Eigentümer würde den Ankauf durch das Reich "freudig begrüßen".

Im Feuer der Kritik

Mit Berufung auf ein Gutachten des Historikers Michael Wladika begann die Wiener Großkanzlei Theiss ein Verfahren beim Kunstrückgabe-Beirat.

Der Beirat spricht "Empfehlungen" aus, die Ministerinnen hielten sich bisher daran. Elisabeth Gehrer, die 1998 das Kunst-Restitutionsgesetz durchgebracht hat, ließ 1999 die Sammlung Rothschild trotz Einwänden des KHM-Direktors Wilfried Seipel zurückgeben; sie wurde sofort für 1,2 Milliarden Schilling bei Christie’s versteigert. Der Beirat versperrte sich indes der Forderung von Maria Altmann nach den Klimt-Bildern im Belvedere.

Zwischen den Museen und möglichen Anspruchsberechtigten eröffnete sich für Zeitgeschichtler, Anwälte, Kunsthändler ein lukratives Geschäftsfeld. Bald gab es neue Dienstposten für Provenienzforscher. Die wichtigen Entscheidungen fielen allemal politisch.

So war es bei den Klimt-Bildern im Belvedere, wo sich Rechtsgelehrte um die Wirksamkeit von Adele Bloch-Bauers Testament zugunsten der Republik stritten - die Bilder wurden schließlich zurückgegeben, auch die Erben nach Alma Mahler-Werfel bekamen Edvard Munchs "Sommernacht am Strand", trotz eines gegenteiligen Beschlusses des Beirats. In beiden Causen wurde weltweit publizistisch Druck gemacht.

Im Inland geriet das Kunst-Restitutionsgesetz daraufhin ins Kreuzfeuer der Kritik: Der Beirat sei zu wenig unabhängig, die Anwälte hätten zu wenig mitzureden.

Heuer im Juni wurde eine Novelle im Ministerrat beschlossen. Dem Vertreter der Finanzprokuratur im Beirat wurde das Stimmrecht aberkannt, die Funktionsperiode der Mitglieder auf drei Jahre verlängert, wer rechtswirksam nach dem Krieg ein Kunstwerk dem Staat verkaufte, darf es exportieren - so er den (valorisierten) Kaufpreis zurückzahlt. Nun wäre es möglich, für einen Schiele 10.000 Euro zu zahlen und bei Sotheby’s zehn Millionen dafür zu erhalten.

Kurz nach ihrem Einzug ins Ministerium setzte Claudia Schmied den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner in den Beirat.

Unter seinem Vorsitz werden wirkungsmächtige Urteile gefällt. Für die unterschiedlichsten Anträge, denen man auf moralisch-menschlicher Ebene gerne zustimmt, mussten formale Begründungen gebastelt werden. So stützte man sich in einem Fall auf Entscheidungen der nach dem Krieg eingerichteten Rückstellungskommissionen, im nächsten verwarf man sie als fehlerhaft.

Neuer Präzedenzfall

Jabloner könnte mit einem Präzedenzfall die Begehrlichkeit der Czernin-Erben geweckt haben. Dem zum Stift Heiligenkreuz gehörigen Neukloster in Wiener Neustadt wurden diesen Jänner Glasfenster aus dem Mittelalter zurückgegeben, die das MAK seinerzeit um 40.500 RM gekauft hat. "Wenn ein Rechtsgeschäft verfolgungsbedingt abgeschlossen wurde, ist es nach der Rechtssprechung der Kommissionen für die Rückstellung ohne Belang, ob der Kaufpreis angemessen war", so der Beirat.

Ob der Nachweis, dass Jaromir Czernin verfolgt wurde, gelingt? Dazu die Kanzlei Theiss: Der Vermeer-Verkäufer war ein Schwager Kurt Schuschniggs und seine Frau ein "jüdischer Mischling 2. Grades".