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Vermieter bewegen sich nun auf dünnem Eis

Von Franz Stefan Pechmann

Wirtschaft

OGH-Urteil über Konsumentenschutz im Mietrecht. | Keine Klärung für künftige Einzelfälle. | Vermieter könnten Auswege finden. | Wien. Die Zeiten, in denen man als Hausverwalter das Mietvertragsformular in der Trafik gekauft hat, und auf dessen Rechtsgültigkeit vertrauen konnte, sind vorbei. Seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) vom 11. Oktober 2006 bewegen sich Vermieter bei der Vertragsgestaltung auf dünnem Eis: Missbräuchliche kundenfeindliche Klauseln, wie sie bis jetzt in Mietvertragsformularen durchaus üblich waren, sind nicht mehr zulässig.


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Durch das Urteil wurde der Schutzmechanismus des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) für den Mieter als Verbraucher erstmals ausjudiziert. Bei undeutlichen Formulierungen laufen Hausverwalter und Vertragsverfasser aufgrund des Transparenzgebots § 6 Abs 3 KSchG Gefahr, letztlich mit dem Gesetzestext anstatt des gewünschten Vertrags konfrontiert zu werden. Denn unklar oder unverständlich abgefasste Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern werden damit unwirksam.

Das Urteil erging aufgrund einer Verbandsklage, die die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte gegen ein Unternehmen eingebracht hatte, das sich gewerbsmäßig mit der Verwaltung von Wohnungen und gewerblichen Liegenschaften befasst.

Die Verwendung von insgesamt 39 in ihren Geschäftsbedingungen verwendeten Klauseln und Textbausteinen wurde verboten - wegen Verstößen gegen zwingende Gesetzesbestimmungen des KSchG und des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB).

Zu den Eigenarten einer Verbandsklage zählt, dass entgegen sonst vorherrschender Auslegungsregeln den zu überprüfenden Klauseln der kundenfeindlichste Sinn zu unterstellen ist. So ist erklärbar, dass unter den 39 vom OGH als unwirksam erkannten Klauseln auch durchaus gängige waren.

Unter anderem wurden folgende Klauseln als ungültig erklärt:

Der Mieter verpflichtet ist, die im Mietgegenstand befindlichen Heizungsvorrichtungen, ferner sämtliche Gas-, Elektro- und Wasserinstallationen samt Geräten stets im betriebsfähigen Zustand zu erhalten und im Falle von Störungen diese unverzüglich sach- und fachgemäß auf eigene Kosten instand setzen zu lassen.

Auch die Klausel, wonach der Mieter bestätige, den Mietgegenstand im neuwertigen Zustand übernommen zu haben, wurde für unwirksam befunden, da sie dem Mieter eine Beweislast aufbürdet, die ihm von Gesetzeswegen nicht zukommt.

Ebenso wurden jene Klauseln für rechtsunwirksam erkannt, in denen eine Willenserklärung des Mieters oder Vermieters nur im Fall der Einhaltung einer bestimmten Form, in der Regel der Schriftlichkeit, Gültigkeit besitzen soll.

Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen

Diese Verbandsklage führte zwar zu einem Prozess, der in gewisser Weise "Lehrbuchcharakter" besitzt, aber das Ergebnis eines Verbandsprozesses kann nicht auf die Vertragsauslegung im Einzelfall umgelegt werden. Das heißt: trotz des Urteils des OGH ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.

Denn seit der Einführung des Transparenzgebotes durch die KSchG-Novelle 1997 dieses selbst Gegenstand mannigfacher Auslegungsversuche. Dabei stellt sich die Frage, ob eine sogenannte geltungserhaltende Reduktion bei unklaren Bestimmungen zulässig ist. Diese möchte den Wegfall einer gesetzwidrigen Klausel verhindern, indem bloß das unzulässige Übermaß gestrichen wird und die beanstandete Klausel mit ihrem gerade noch gesetzmäßigen Inhalt bestehen bleibt. Die Alternative zur geltungserhaltenden Reduktion wäre der völlige Wegfall der Klausel mit der Konsequenz, dass anstatt der vertraglichen Vereinbarung der dispositive Gesetzestext gilt.

Das geschah im gegenständlichen Verfahren. Doch der alleinige Grund, warum es nicht zu einer geltungserhaltende Reduktion kam, war, dass eine solche in Verfahren, die durch Verbandsklage eingeleitet werden, nicht zulässig ist. Das heißt, dem OGH blieb nichts anderes übrig, als in diesem Verfahren sämtliche Klauseln für unwirksam zu erklären.

In seiner Entscheidung äußert sich der OGH auch nicht endgültig zu der Frage, ob die geltungserhaltende Reduktion in Einzelfällen (also nicht Verbandsklagen) möglich ist. Es bleibt die Hoffnung bestehen, das "mehrdeutige" Vertragsklauseln nicht von vornherein als intransparent und unwirksam angesehen werden, sondern einer geltungserhaltenden Reduktion zugänglich sind.

Im Grunde würde eine andere Sichtweise die klassische Juristenarbeit - die Auslegung von Normen - verhindern. Es wird wohl keine Vertragsklausel geben, die nicht in irgendeiner Form der Vertragsauslegung zugänglich ist, sondern einen absolut eindeutigen Inhalt aufweist.

Bis zu einer endgültigen Klarstellung der Auswirkungen dieser Entscheidung auf den einzelnen Mieter sollten Hausverwalter und Vertragsverfasser jedenfalls folgende Tipps beachten: Deutliche und verständliche Formulierungen samt einer plausiblen Erklärung werden das Anfechtungspotential minimieren. Wenn möglich, sollten Abänderungen nach einzelvertraglichen Verhandlungen trotz bestehender Musterverträge ermöglicht werdern. Aus Beweisgründen sollte der Zustand bei Übergabe des Mietobjektes festgehalten und vom Mieter bestätigt werden. Sinnvoll ist es auch, sich über jeden Kontakt mit dem Mieter entsprechende Aktenvermerke (über den Inhalt des Gespräches, der Anfrage etc.) zu machen, um einer allfällig gegenteiligen nachträglichen Behauptung des Mieters entsprechend entgegentreten zu können.

Der Autor Franz Stefan Pechmann ist Rechtsanwalt in Wien.