In der Privatwirtschaft nennen sie es Outsourcing. In der Bundesverwaltung spricht man von einer beabsichtigten Entlastung der Finanz. Freilich zu Lasten der Bürger, denn das jüngste | Abgabenänderungsgesetz sieht neben einer freiwilligen "Vergebührung" von Verträgen und Dokumenten künftig auch eine unfreiwillige Zwangsregelung vor.
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Ab kommenden Juli müssen die Bestandgeber, Vermieter oder Verpächter, an ihre Miet- oder Pachtverträge selbst die Gebührenlatte anlegen: die jeweilige Vertragsgebühr aus- rechnen, an die
Behörde entrichten und die Verträge mit einem "Vergebührungsvermerk" versehen.
Man kennt das: Verträge in dreifacher Ausfertigung vorbereiten. Anstellen bei den Einlaufstellen, wo komplizierte Aktenumschläge angelegt werden. Warten auf den Gebührenbescheid, irgendwann in einem
Monat oder einem Jahr (wenn der Mieter schon längst wieder ausgezogen ist). Bezahlung der Gebühr, womöglich mit Gebührenzuschlag, weil man vergessen hat, daß die Abgabe eigentlich in Stempelmarken zu
entrichten war.
Oder: Anstellen bei der Sofortbemessungsabteilung. Warten. Warten. Warten. Sprintlauf zum Postamt, um die vom Beamten per Daumen mal pi geschätzte Gebühr schnell einzuzahlen. Retoursprint zum Amt, um
die Gebührenzahlung nachzuweisen und die abgestempelten Verträge wieder zu beheben.
Neue Rechtslage
Ab 1. Juli wird das alles Historie sein. Ab diesem Tag entfällt das Anstellen vor Einlaufstellen oder Sofortbemessungszimmern. Die Miet- oder Pachtverträge müssen dann nämlich von den
Vermietern/Verpächtern selbst "vergebührt" werden. Kein Weg zum Finanzamt. Kein Gebührenbescheid. Die Damen und Herren Bestandgeber mutieren zu Hilfsbeamten der Finanz. Mit Eigenverantwortung und -
haftung.
Das setzt voraus, daß sich Vermieter oder Verpächter im Gebührenrecht ausreichend auskennen, mit Hundertsatzgebühr, Bogengebühr, mit Urkunden und Gleichschriften und mit der Stempelmarkengrenze.
Setzt voraus, daß sie auch den feinen Unterschied zwischen bestimmter und unbestimmter Laufzeit wissen und daß sie im Zweifelsfall im Gebührengesetz den richtigen Paragraphen anpeilen: § 33 Tarifpost
5. "Bestandverträge".
Laufzeit-Unterschiede
Diese Verträge unterliegen einer Gebühr von 1%. Berechnungsbasis ist dabei der vereinbarte Jahresmietzins (einschließlich Betriebskosten und Umsatzsteuer). Bei Verträgen mit bestimmter
Laufzeit ergibt sich die Berechnungsgrundlage aus Laufzeit-Jahren mal Jahresmietzins; bei einem fünfjährigen Vertrag also mit 1% von der fünffachen Jahresmiete.
Bei Verträgen mit unbestimmter Laufzeit (auch bei Verträgen mit bestimmter Laufzeit, bei denen ein Vertragspartner jederzeit die Möglichkeit hat "auszusteigen") ist höchstens eine dreijährige
Jahresmiete zu vergebühren, weshalb man in der Praxis bei der überwiegenden Zahl der länger laufenden Verträge eher eine unbestimmte Vertragsdauer vereinbart.
Wohnmietverträge
Neu ab 1. Juli 1999 ist, daß die Gebührenberechnung von Wohnmietverträgen nur auf Basis einer höchstens dreijährigen Jahresmiete zu erfolgen braucht, selbst dann, wenn eine bestimmte
längere Vertragslaufzeit vereinbart ist. Solche Verträge werden künftig also jenen mit unbestimmter Laufzeit gleichgestellt.
Wohnmietverträge sind Miet- oder Nutzungsverträge, die Gebäude oder Gebäudeteile zu Wohnzwecken betreffen. Dazu gehören nicht nur die eigentlichen Wohnräume, sondern auch mitvermietete Nebenräume wie
Keller und/oder Dachboden sowie Autoabstellplatz oder Garten. Bei gemischtgenutzten Räumen muß jedenfalls die Wohnungsnutzung überwiegen.
Wahlrecht Stempelmarken
Nach der Höhe der selbst errechneten Gebühr kann man künftig entscheiden, ob man sie in Stempelmarken-Form auf dem Originalvertrag aufkleben will, oder ob man sie an das zuständige
Gebührenfinanzamt überweisen muß. Der maßgebliche Grenzbetrag ist 5.000 Schilling, bis zu welchem Stempelmarken zulässig (aber nicht verpflichtend) sind. Zusätzlich aufzukleben sind aber jedenfalls
die sogenannten Bogengebühr-Marken (180 Schilling) auf dem zweiten und jedem weiteren Bogen eines Vertrages.
Praktiker äußern in diesem Zusammenhang ihre Zweifel, ob es möglich sein wird, künftig überhaupt einen Markenverschleiß zu finden, der Stempelmarken in dieser Höhe vorrätig hat, zumal die von
Staatssekretär Ruttenstorfer in Aussicht gestellte sukzessive Abschaffung der Bundes- Schleckpickerln auch die Stempelmarkenvariante der Bestandverträge behindern wird.
Dann bleibt jedenfalls die Möglichkeit (bei Gebühren über 5.000 Schilling sogar die Pflicht) die fällige Abgabe bis zum 15. des auf die Vertragsunterzeichnung zweitfolgenden Monats an das
Gebührenfinanzamt zu überweisen. Gleichzeitig muß eine "Gebühren-Anmeldung" eingesendet werden · ein besonderes Steuerformular, das gerade neu aufgelegt wird.
Gleichschriften gebührenfrei
Die vorgenommene Selbstvergebührung ist durch einen entsprechenden Vermerk auf der Originalurkunde des Vertrages zu dokumentieren, etwa durch den Hinweis "Selbstberechnete Gebühr S
.............., Datum, Unterschrift des Vermieters." Ein ähnlicher Hinweis ist auch auf den sogenannten Gleichschriften anzubringen (also auf jenen Vertragskopien, die ebenfalls
Originalunterschriften der Vertragspartner aufweisen). Diese Gleichschriften werden dadurch in gleicher Weise gebührenfrei, wie wenn sie vom Finanzamt den berühmten Gleichschriftenstempel erhalten
hätten.
Hilfe durch Berater
Auch die Finanzverwaltung weiß, daß das Gebührenrecht zu den spitzfindigsten Sektoren des heimischen Abgabenrechts gehört. Daher kann man auch künftig Verträge mit schwierigen oder
ungewöhnlichen Klauseln (deren richtige Deutung dem Vermieter unklar oder unzumutbar ist) beim Finanzamt zur dortigen Vergebührung anzeigen. Anzeigepflichtig bleiben auch Verträge, deren Mietentgelte
erst künftig feststehen (etwa umsatzabhängige Mietverträge) oder solche, bei denen eine Gebührenbefreiung angesprochen wird.
Vermieter, die · aus welchem Grund immer · ihr Verträge nicht selbst vergebühren wollen (oder sich damit nicht auskennen), können sich der Hilfe des Steuerberaters, eines Rechtsanwalts, Notars
bedienen. Auch Immobilienverwalter, Immobilienmakler oder die gemeinnützigen Baugenossenschaften sind von Gesetzes wegen dazu berufen, "Gebührenhilfe" zu leisten. Gegen ein kleines Entgelt, versteht
sich. Outsourcing ist nicht gebührenfrei.