Zum Hauptinhalt springen

Vermittlung durch Radikalislamisten?

Von Stefan Beig

Analysen

Sahara-Geiseln: IGGiÖ als Bindeglied. | Kontakte zu Muslimbrüdern. | Die Entführung der beiden Österreicher in der Sahara bot einigen international bekannten Islamisten Gelegenheit, sich öffentlichkeitswirksam zu profilieren. Bis jetzt brachte ihr Einsatz keinen nennenswerten Erfolg.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Scheich Yusuf al-Qaradawi etwa verlangte in seiner Sendung "Die Scharia und das Leben" auf Al-Jazeera: "Im Interesse des Islam, der islamischen Umma (Gemeinschaft) und im Sinne des Ansehens der islamischen Religion sollte man die beiden Entführten freilassen." Und: "Österreich hat in Europa eine gute Haltung gegenüber dem Islam."

Qaradawi ist zentraler Prediger der Muslimbruderschaft. Anscheinend kooperierte auch Österreichs Regierung mit ihm. In der algerischen islamischen Zeitung "Echorouk" erklärte Qaradawi: "Die österreichische Regierung kontaktierte mich als Präsidenten der internationalen Vereinigung der Islamgelehrten mittels islamischer Gemeinschaften in Europa. Sie forderte mich auf, auf die Freilassung der beiden entführten Österreicher einzuwirken."

Auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Anas Schakfeh, gab "Echorouk" jüngst ein Telefon-Interview: "Islamische Kreise koordinieren zwischen den Entführern und der österreichischen Regierung". Ziel sei es, "einen Konsens zu erreichen betreffend die Freilassung der beiden Entführten." Es gehe um eine Vermittlerrolle "mit Hilfe von islamischen Persönlichkeiten zwecks der Koordination".

Die von Schakfeh genannten islamischen Kreise sind alle Führer der Muslimbruderschaft: Neben dem Ägypter Qaradawi in Katar gehören dazu auch der Sudanese Issam Albashir und Mohammed Salim Alawa in Ägypten.

Die Entführer lehnten in ihrer neuen Forderung die Einmischung der "Führer der Muslime in Österreich" (gemeint ist die IGGiÖ) ab. Sie halten die Aufrufe für unglaubwürdig, da sich die IGGiÖ nicht für die Freilassung des verurteilten Ehepaars in Wien (Mohammed M. und Frau) einsetze.

Auf diese Kontakte angesprochen meint der Sprecher des Außenministeriums, Peter Launsky-Tieffenthal, nur: "Wir arbeiten auf allen Ebenen." Für die Hilfe der IGGiÖ sei man besonders dankbar. Dabei verweist Launsky-Tieffenthal auch auf Omar al-Rawi, der sich schon zwei Mal über Al Jazeera für eine Freilassung der Geiseln einsetzte. "Wir verfügen über engste Kontakte zur IGGiÖ und helfen uns gegenseitig. Das taten wir auch zur Zeit des Libanonkriegs."

Angesprochen auf Behauptungen, dass gerade Qaradawi im Westen als Hassprediger bekannt sei, meint Launsky-Tieffenthal: "Aus unserer Sicht geht es primär um die Freilassung der beiden Österreicher."

In der Vergangenheit setzten sich Islamisten in solchen Krisensituationen schon oft in Szene. Ihr Einsatz wurde teils sogar materiell entlohnt. Verurteilt wurde der Terrorismus von den Islamisten bisher nicht. Gerade die Muslimbruderschaft steht im Verdacht, den Terrorismus auch finanziell zu unterstützen.

Nach Ansicht des Terrorexperten Amer Albayati ist allein die Politik, nicht die Religion für solche Angelegenheiten zuständig. "Die IGGiÖ ist wirkungslos im Inland, geschweige denn im Ausland", so Albayati. "Sie soll sich um religiöse Belange und die Muslime kümmern. Diplomatie, Politik und so heikle Krisen gehören nicht zu ihrem Aufgabenfeld." Auf Terrororgansationen könne man von Wien aus nicht einwirken. Man solle nicht "bitten und betteln, denn das ist eine Aufwertung der Entführer. Es wäre viel wichtiger den Terrorismus zu verurteilen."