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"Vermögende sind froh, dass sie mit blauem Auge davonkamen"

Von Clemens Neuhold

Politik
Steuerberater diskutieren über die Steuerreform (v.l.n.r.):Hannes Saghy, Jakob Schmalzl, Moderator Clemens Neuhold, Franz Schmalzl, Christoph Plott.Stanislav Jenis

Vier Steuerberater, zwei Generationen, eine Steuerreform.


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Wien. Der Vizepräsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Jakob Schmalzl, sein Sohn Franz Schmalzl von der gleichnamigen Steuerberatungsgruppe, Christoph Plott von KPMG und Hannes Saghy von Junia debattieren mit der "Wiener Zeitung" über die "größte Steuerreform aller Zeiten", wer wirklich profitiert und wie ihre Klienten Belastungen noch minimieren können.

"Wiener Zeitung":Was empfehlen Sie Ihren Kunden für die Zeit, bis die Reform in Kraft tritt?Franz Schmalzl: Weil die Kapitalertragssteuer um 2,5 Prozentpunkte steigt, kann es für Personen mit Anteilen an einer GmbH sinnvoll sein, Gewinnausschüttungen vor 2016 zu tätigen.

Christoph Plott: Und wer sich sowieso von Aktien trennen möchte, könnte das noch im Dezember machen, sollte aber auf keinen Fall überstürzt agieren.

Wie sieht es mit Immobilien aus? Verkaufe ich sie, zahle ich künftig mehr Einkommensteuer für die Wertsteigerung. Außerdem steigt die Grunderwerbssteuer.Jakob Schmalzl: Wenn ich verkaufen will, dann am besten jetzt, außer, ich erwarte deutliche Wertsteigerungen in den nächsten Jahren. Grundstücksschenkungen vorzuziehen ist natürlich auch eine Option.

Franz Schmalzl: Der Übergeber kann sich seine bisherigen Mieteinkünfte weiterhin behalten, indem er mit dem Beschenkten ein Fruchtgenussrecht vereinbart.

Weitere Tipps für Menschen ohne Häuser?Hannes Saghy: Ein ganz normaler Selbständiger, der Einnahmen-Ausgaben-Rechner ist, könnte Honorarnoten für Leistungen, die nicht eindeutig ins alte oder neue Jahr fallen, erst im Jänner stellen, weil er dann weniger Einkommensteuer zahlt.

Ist es die größte Reform aller Zeiten?Jakob Schmalzl: Vom Volumen der Entlastung her ja.

Christoph Plott: Die Gegenfinanzierung steht jedenfalls in den Sternen. Und von einer Vereinfachung ist aber leider auch keine Spur. Auf der Hotelrechnung hab ich künftig drei Mehrwertsteuersätze, wenn ich auch gegessen und getrunken habe.

Hannes Saghy: Stimmt. Das System wird von Jahr zu Jahr komplizierter und unübersichtlicher.

Jakob Schmalzl: In zehn Jahren haben sich Steuererklärungsformulare samt Beilagen verfünffacht.

Hannes Saghy: Ein Immobilienbesitzer ist nicht mehr in der Lage, seine Steuererklärung selbst zu erledigen.

Gut für Sie.Hannes Saghy: Ja, wir machen mittlerweile Tätigkeiten des Finanzamtes.

Wer wird durch die Reform am stärksten entlastet, wer am stärksten belastet?Jakob Schmalzl: Die Steuerentlastung ist prinzipiell gegeben.

Auch für den kleinen Gewerbetreibenden?Jakob Schmalzl: Ja, denn es werden ja die Lohnsteuer und Einkommensteuer ja gleichermaßen gesenkt. Ich weiß nicht, warum ständig nur von Lohnsteuersenkung geredet wird.

Christoph Plott: Betreibt jemand seinen Betrieb über eine GmbH, für den kann es durch die teurere Gewinnausschüttung eine Erhöhung setzen.

Hannes Saghy: Er kann aber auch umschichten und sich dann eben mehr als direktes Gehalt auszahlen lassen. Generell ist zu sagen: Alle, die keine Sonderbezüge wie Dienstwägen haben und Lohnsteuer zahlen, sind stark entlastet. Mit einem nicht so umweltfreundlichen Mittelklassewagen als Dienstauto kann es sein, dass man mit null aussteigt. Der typische Außenmitarbeiter, der gut verdient, könnte wegen der geringeren, steuerlichen Absetzbarkeit sogar draufzahlen.

Wie steigen die wirklich Vermögenden mit der Reform aus?Jakob Schmalzl: Die sind froh, dass sie mit einem blauen Auge davongekommen sind, weil die echte Erbschafts- und Vermögensteuer nicht kommt.

Der Kampf gegen Steuerbetrug ist zentral bei der Reform. Damit soll die Steuerentlastung finanziert werden. Ist das ein Paradigmenwechsel in einem Land, in dem Schwarzarbeit als Kavaliersdelikt gilt?Jakob Schmalzl: Das ist schon eine ziemliche Systemumstellung.

Christoph Plott: Früher war der Staat beim Wegschauen großzügiger, weil er es sich leisten konnte. Nun geht ihm das Geld aus, deswegen ist Steuergerechtigkeit und die Durchsetzung von Steuerrecht in ganz Europa verstärkt Thema.

Aber bringt das Milliarden?Jakob Schmalzl: Der Druck wird steigen, Ergebnisse zu liefern. Es wurde Geld in die Lade gewischt. Aber die Frage ist schon, braucht nun jeder Zahnarzt eine Registrierkasse, der privat Mundhygiene anbietet?

Hannes Saghy: Es ist ein offenes Geheimnis, dass Prüfer Erfolgsquoten erfüllen müssen. Die Quoten werden sicher verschärft und der Erfolgsdruck höher.

Franz Schmalzl: Wenn der Betriebsprüfer ein Mehrergebnis hat, heißt das noch nicht, dass der Betrieb die Steuerschuld zahlen kann. Vielleicht kann er auch die nächste Bilanz nicht erstellen und sperrt zu. Dann geht die Rechnung mit der Gegenfinanzierung nicht auf. Gehen die Prüfer rigoros vor, sind die 2000 bis 3000 Euro Entlastung bei der Einkommensteuer im Vergleich zu den Mehrkosten ein Pappenstiel.

Kann Schwarzarbeit völlig ausgetrocknet werden?Jakob Schmalzl: Nein, denn es wird immer Menschen geben, die dazu gezwungen sind, weil sie sich gewisse Arbeiten anders nicht leisten können.

Franz Schmalzl: Viele Häuslbauer werden sich einen Handwerker-Stundensatz von 80 Euro pro Stunde nicht leisten können. Wenn dann weniger gebaut wird, ist das gesamtwirtschaftlich ein riesen Problem.

Hannes Saghy: Die Frage ist, schießt man übers Ziel hinaus, wenn der Nachbar, der Fliesen legen kann, das im Gegenzug zum Babysitten nicht mehr darf. Aber es gibt schon auffällig viele Kleinunternehmer wie Imbissstände, die immer knapp unter 11.000 Euro verdienen ...

...und sich damit die Einkommensteuer sparen, die ab dieser Grenze anfällt.Manche Wirte, die künftig eine Registrierkasse haben müssen, sagen: Warum geht man nicht auf die Großkonzerne, die es sich richten können und in Steueroasen ausweichen?Christoph Plott: Bei Konzernen handelt es sich meist um Steuerplanung im legalen Rahmen. Jetzt kommt man drauf, dass man gewisse Planungen nicht mehr möchte. Die Regeln werden weiter verschärft werden.

Zurück zu den "Kleinen": Wird es ein Wirtesterben geben?Jakob Schmalzl: Nein, aber es wird weniger übrig bleiben. Und die Preise könnten dadurch steigen.



In Italien muss der Kunde den Beleg aufbewahren.Hannes Saghy: Dort gibt jeder Eisverkäufer einen aus.

Bei uns muss der Kunde nicht mitspielen. Kann das funktionieren?Franz Schmalzl: Schärfer ist natürlich das italienische System.

Eine Domäne der Schwarzarbeit ist der Bau.Franz Schmalzl: Das geplante Verbot von Barauszahlungen kann in der Praxis nicht funktionieren. Eine Sub-Sub-Firma akzeptiert nur Bares, weil sie nicht sicher sein kann, ob es den Auftraggeber am Ende der Woche noch gibt und ihr sonst alles zu unsicher ist. Die warten nicht ab, bis das Geld am Konto ist.

Hannes Saghy: Bei Barbelegen über 6000 Euro wird mir aber schon mulmig.

Hält die Reform?Christoph Plott: Ich bin gespannt, ob es verfassungsrechtlich in Ordnung ist, zwei unterschiedliche Kapitalertragssteuersätze für Dividenden und fürs Sparbuch einzuführen (27,5 bzw. 25 Prozent, Anm.).

Franz Schmalzl: Ich bin gespannt, ob die Ausnahmen für die Landwirtschaft und den Tourismus bei der Grunderwerbssteuer nicht gegen das Gleichheitsprinzip verstoßen. Für eine Bevorzugung einzelner Branchen braucht es schon sehr gute Gründe.

Hannes Saghy: Die Lobby der Landwirte hat in Österreich einfach immer schon gut funktioniert.