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Vermögenszuwachssteuer: "Damit erwischt man das Großkapital nicht"

Von Stefan Janny

Reflexionen

Neue Steuer würde Wirtschaftsstandort schädigen. | Positive Signale aus der Steuerreformkommission. |
§§"Wiener Zeitung": Was hat der Präsident der Industriellenvereinigung am 1. Mai, Tag der Arbeit, gemacht? *


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Veit Sorger: Am 1. Mai war ich in Mexiko. Die Reise war eine Mischung: Ich hatte dort erstens eine Aufsichtsratsitzung und zweitens besuchte ich mit meiner Familie eine Hochzeit von Freunden.

Auf der Ringstraße wären Sie aber vermutlich, auch wenn Sie sich in Österreich befunden hätten, nicht zu finden gewesen?

Dort war ich am 1. Mai noch nie. So gern ich auf der Ringstraße spazieren gehe, aber das muss nicht am 1. Mai sein. Ich respektiere aber uneingeschränkt, dass dieser Tag für die Sozialdemokratie besondere Bedeutung hat und zelebriert wird.

Der 1. Mai ist also nicht einer jener Feiertage, die Sie auf einen Sonntag verlegen wollen?

Nein. Aber es würde Österreich nicht schaden, den einen oder anderen Feiertag auf einen Sonntag zu verlegen. Wenn das nicht möglich ist, wäre es zumindest besser, die Feiertage auf Freitag oder Montag zu verlegen, damit man die freien Tage als Paket konsumieren kann und die Arbeitsprozesse nicht während der Woche unterbrochen werden.

Was halten Sie von den Steuerreformplänen der Regierung, soweit sie sich bereits abzeichnen?

Bis jetzt habe ich wenig konkrete Pläne gehört. Die Industriellenvereinigung hat frühzeitig ihre Vorstellungen präsentiert. Im Sinne der Stärkung des Wirtschaftsstandorts und Finanzplatzes und damit auch im Sinne der Beschäftigungssicherung wünschen wir uns in einem ersten Schritt die Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent und eine Anhebung der Betragsgrenze, ab welcher der Spitzensteuersatz wirksam wird, von derzeit 51.000 auf 100.000 Euro. Und wir wünschen uns einen Entfall der Gesellschaftssteuer und verschiedener Kapitalsteuern.

Die Umsetzung dieser Wünsche scheint, vorsichtig ausgedrückt, nicht unbedingt gesichert.

Die Steuerreformkommission hat ihre Arbeit erst begonnen. Es gibt, abhängig davon, mit wem man spricht, durchaus positive Signale. Wo es sicher unterschiedliche Auffassungen gibt, ist die Definition des Mittelstandes. Während für manche der Mittelstand bei 2500 Euro im Monat aufhört, endet er für uns bei 100.000 Euro im Jahr. Tatsache ist, dass die letzte Steuerreform, besonders die Reduktion der Körperschaftssteuer, Österreich gut getan hat.

Einer der wenigen Punkte, auf den sich die Koalitionspartner im Grundsatz bereits geeinigt zu haben scheinen, ist allerdings die Vermögenszuwachssteuer.

Ich hoffe, dass sich die Koalition auf die Vermögenszuwachssteuer noch nicht geeinigt hat. Ich halte es jedenfalls für grundfalsch und schädlich, zu Beginn der Diskussion über ein Entlastungspaket über die Einführung einer neuen Steuer nachzudenken. Noch dazu eine, die den Wirtschaftsstandort und den Kapitalmarkt schädigen würde. Jahrelang propagieren wir die private Altersvorsorge, und dann führen wir eine Steuer ein, die jene be-straft, die das ernst genommen haben.

Es sind allerdings eine Reihe von Ausnahmen angedacht.

Das ist richtig. Betriebs-pensionen und Mitarbeiterbeteiligung sollen ausgenommen werden, Immobilien zu bestimmten Teilen ebenfalls. Das bedeutet, dass nur jene die Steuer bezahlen werden, die keine steuerschonende Konstruktion finden. Wenn man meint, dass man damit das Großkapital erwischt, dann täuscht man sich.

* Böhler-Uddeholm-Chef Claus Raidl, der für die ÖVP in

der Steuerreformkommission sitzt, und Ex-Wirtschaftsminister Johannes Ditz haben weniger Probleme mit der Vermögenszuwachssteuer. *

Für uns sind das Einzelmeinungen, die einmal mehr zeigen, wie wichtig es ist, dass die Industriellenvereinigung kein Parteiorgan ist. Wir haben mit jeder Partei gewisse Übereinstimmungen und gewisse Differenzen. Ich gehöre keiner Partei an und bin daher niemandem aus Parteiräson verpflichtet.

Dass Sie der ÖVP weltanschaulich ein bisschen näher stehen als den Grünen, ist aber kein Geheimnis.

Das ist kein Geheimnis, und es ist auch überhaupt keine Schande, dass ich der ÖVP in vielen Fragen näher bin als den Grünen. Wiewohl wir gerade mit den Grünen in Fragen der Zuwanderungs-, Bildungs- und Hochschulpolitik durchaus Gemeinsamkeiten haben.

Was sagen Sie als gebürtiger Grazer eigentlich dazu, dass die ÖVP dort jetzt gemeinsam mit den Grünen regiert?

Ich kenne den Grazer Bürgermeister, der ein schwieriges Amt übernommen und sich für einen neuen Weg entschieden hat. Mit gefällt es, wenn man eingefahrene Wege verlässt und etwas Neues probiert. Das Programm, das die Stadtregierung vorgelegt hat, wird nicht einfach umzusetzen sein. Es ist sicher nicht von Nachteil, wenn die Grünen die Chance haben, sich realitätsnahe mit Fragen der Infrastruktur und Energiepolitik auseinander zu setzen und zu lernen, was machbar ist und was nicht.

In Oberösterreich gibt es das Modell schwarz-grün ja auf Landesebene. Könnten Sie sich etwas Ähnliches auch auf Bundesebene vorstellen?

Das oberösterreichische Modell funktioniert mit den handelnden Personen, wie ich höre, ganz gut. 2002 gab es ja ähnliche Überlegungen auf Bundesebene. Wenn ein ausreichendes Maß an Verlässlichkeit gegeben ist, soll man überhaupt nichts ausschließen. Ich war nie ein Freund von Ausgrenzungen.

Von wem stammt folgendes Zitat: "Womit ich überhaupt nichts anfangen kann, sind hohe Abfertigungen für glücklose Manager".

Das ist von mir! So alt bin ich noch nicht, dass ich nicht mehr weiß, was ich gesagt habe.

Richtig. Gilt das Zitat auch für den geschassten ÖBB-Chef Huber, der mehr als 800.000 Euro erhalten soll?

Ich habe in einer Aussendung festgehalten, dass der ausgeschiedene ÖBB-Generaldirektor seinen Job professionell gemacht hat, eine neue Organisationsform mit eingeführt und einige wesentliche Weichenstellungen vorgenommen hat. Dass er jetzt aufgrund eines Strategiewechsels, den der Eigentümer vornehmen will, in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat seine Funktion zur Verfügung gestellt hat, ist ihm nicht vorzuwerfen. Persönliches Fehlverhalten scheint es jedenfalls nicht gegeben zu haben, denn sonst hätte man ihn ja wohl entlassen. Dass er auf die Einhaltung der finanziellen Aspekte seines Vorstandsvertrags pocht, ist selbstverständlich. Da gilt das Prinzip: "Pacta sunt servanda".

Derzeit erreicht der Euro beinahe täglich neue Höchststände, die US-Wirtschaft rutscht in eine Rezession. Parallel dazu steigt der Ölpreis von einem Höchststand zum nächsten. Den obersten Sprecher der Industrie müssten diese Entwicklungen eigentlich besorgt machen.

Das tun sie auch. Und wir spüren bereits die Auswirkungen. Unser vor zwei Wochen veröffentlichtes Konjunkturbarometer zeigt eine deutliche Abkühlung. Die Auftragsstände der österreichischen Unternehmen sind rückläufig, unter anderem, weil Exporte in den Dollarraum wesentlich erschwert sind. Und auf der anderen Seite bemerken wir vermehrte Importe aus den USA, die preislich nun wesentlich attraktiver sind.

Gibt es irgendetwas, das die österreichische Bundesregierung zur Belebung der Binnenkonjunktur tun könnte?

Man kann auch als mögliche Maßnahme - abseits der österreichischen Bundesregierung - darüber nachdenken, ob die Europäische Zentralbank eine Zinskorrektur vornehmen sollte.

Dass die EZB bald eine Zinssenkung vornehmen wird, ist angesichts der deutlich über den Zielwerten liegenden Inflation allerdings eher unwahrscheinlich.

Das muss wohlüberlegt sein: Es muss zum bestmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Solange das Geldmengenwachstum so hoch wie derzeit ist, ist dies schwierig.

Was kann die österreichische Regierung tun, um die Konjunktur zu beleben?

Die wichtigste Maßnahme wäre eine rasche und um fassende Steuerentlastung. Neun Prozent der Österreicher zahlen 50 Prozent des Steueraufkommens. Diese neun Prozent sind die Lokomotive, sie sollte man entlasten, um sie zu ermuntern, sich noch mehr zu engagieren. Aber lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit noch etwas sagen: Gerade in Zeiten einer sich abschwächenden Konjunktur ist es wichtig, dass die Gewerkschaften in der Gehaltspolitik maßvoll vorgehen.

Veit Sorger wurde 1942 in Graz geboren, studierte Rechtswissenschaften (in Wien, Graz und in Uppsala) und danach an der Hochschule für Welthandel in Wien. Nach dem Studium arbeitete Sorger als Assistent des Generaldirektors der Interunfall Versicherung. 1970 folgte der Wechsel in die Papierindustrie zur Salzer-Gruppe, wo er in unterschiedlichen Funktionen und zuletzt als Alleinvorstand tätig war. 1988 wurde er in den Vorstand der Frantschach AG berufen. Ende 2004, wenige Monate, nachdem er zum Präsidenten der Industriellenvereinigung gewählt worden war, schied Sorger aus dem aktiven Management der Mondi-Gruppe aus.