Der neue EU-Präsident Herman Van Rompuy trat am Donnerstag in Brüssel vor die Presse und las ein vorbereitetes Statement zu Griechenland vom Blatt ab. So wie er sich auf den Zettel konzentrierte, wollte er wohl alles genau so wiedergeben, wie man es ihm aufgeschrieben hatte. Neben ihm stand ein grinsender Kommissionspräsident Barroso. Dann Abgang der beiden, keine Fragen möglich.
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Bei dem vorbereiteten Statement ging es nicht um die gestiegene Zahl der Kinobesucher im EU-Raum, sondern um die Zukunft der Euro-Zone im Allgemeinen und die Hilfe für Griechenland im Besonderen.
Die eher gespenstische Szene zeigt, wie macht- und ideenlos die EU derzeit agiert. Die Vernetzung der Banken, Unternehmen, Institutionen ist so groß geworden, dass jede nationale Regelung zur selben Farce wird wie der Auftritt Van Rompuys am Donnerstag.
Nicht Griechenland allein ist das Thema, sondern die Ansteckung anderer EU-Länder, namentlich Portugal und Italien.
Was die EU-Spitze herunterspielt, ist das Ausmaß der gegenseitigen Abhängigkeit: 303 Milliarden Euro schulden die Griechen ausländischen Banken. 75 Milliarden Euro entfallen auf französische Geldinstitute, 43 Milliarden auf deutsche.
Das Unangenehme dabei: Darunter fallen auch Auslandsverbindlichkeiten beispielsweise der griechischen Banken, nicht nur des Staates.
Selbst wenn die beiden führenden Figuren der EU, Deutschlands Angela Merkel und Frankreichs Nicolas Sarkozy, nach dem EU-Gipfel auf Optimismus machten, dass es Griechenland schon schaffen werde, so ist dies bloß Zeitschinden.
Die Krise der Griechen wird natürlich auch Private treffen, und den Fall einer griechischen Bank will sich auch in der Europäischen Zentralbank lieber niemand vorstellen.
Nach den weichen Erklärungen des EU-Gipfels sank der Euro kurzfristig auf unter 1,36 zum US-Dollar. Und dies, obwohl sogar die Wirtschaftsberaterin von US-Präsident Obama im Weißen Haus erklärte, dass es Griechenland schon schaffen werde. Es zeigt, dass die Märkte mit dem Ergebnis nicht besonders zufrieden sind. Zwar wird es von EU-Staaten Hilfen geben, indem etwa deutsche Staatsbanken für griechische Anleihen garantieren.
Das wird dazu führen, dass die Griechen jene 55 Milliarden Euro, die sie allein heuer benötigen werden, auch aufnehmen werden können.
Doch den genauen Unterschied zwischen solchen Hilfen und einer konzertierten EU-Aktion ist einem Devisen- oder Anleihehändler in Singapur oder Boston nicht leicht klar zu machen.
Für den Rest der Welt ist die EU schlicht zu kompliziert geworden. Nun mischt auch noch das Europäische Parlament mit. Dies wird vermutlich zu zweierlei führen: Die politische Bedeutung von Aussagen europäischer Politiker wird sinken. Denn in Asien und den USA wird es immer undurchschaubarer, welche Auswirkungen solche Bemerkungen haben.
Griechenland wird also in Streiks versinken, die Geldgeber werden nervös bleiben. Wie unsinnig die Regelung ist, dass es keine EU-Hilfe für in Not geratene Mitgliedsländer geben kann, zeigt das Beispiel, wenn es umgekehrt wird: Deutsche und französische Banken könnten sich künftig bei der Verschuldung in Griechenland zurückhalten und damit Athen weiter unter Druck setzen. Dann ist das genaue Gegenteil dessen erreicht, was beabsichtigt wurde. Dann behindern europäische Institutionen die Sanierung des europäischen Landes Griechenland.
Die Politik hat sich der Vernetzung des europäischen Finanzwesens noch nicht gestellt, manche werden es auch noch nicht erfasst haben. Griechenland muss heuer das Defizit von 12,7 auf etwa 8,7 Prozent drücken. Vielleicht geht das mit Einmaleinnahmen wie der geplanten Privatisierung der Glücksspielgesellschaft.
Dann bleibt noch die Frage: Was tun 2011, wenn weitere vier Prozent Defizit beseitigt werden sollen? Das wird Van Rompuy dann hoffentlich nicht mehr vom Blatt lesen, und Barroso wird das Lachen vergangen sein...