Rechnungshofbericht zum KH Nord: Inkompetenz, Baumängel, Kostenexplosion. Die Opposition ist "fassungslos".
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Wien. Es ist ein vernichtendes Zeugnis, das der Rechnungshof dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) in der Causa Krankenhaus Nord ausstellt. Das Kontrollorgan hat am Freitag seinen endgültigen Prüfbericht veröffentlicht. Fehlende, späte und falsche Entscheidungen haben das Bauvorhaben verzögert und die Kosten massiv ansteigen lassen, heißt es in dem 182 Seiten starken Bericht. Dem KAV habe es schlicht an Know-how und Ressourcen gefehlt, um den Bau abzuwickeln.
"Ein komplexer Spitalsbau fordert ein kompetentes und genaues Projektmanagement", erklärte Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker. Dass dieses aber eben nicht vorhanden war, zeigt der Bericht. Das Fiasko beginnt bereits in der Planungsphase. Entgegen den Empfehlungen eines Gutachters entschied sich der KAV 2006, alle Leistungen für das KH Nord an einen einzigen Totalunternehmer zu vergeben. Er sollte sowohl das Grundstück bereitstellen, als auch die Planung und Errichtung des Krankenhauses übernehmen.
Diese "atypische Verknüpfung" war laut Rechnungshof "weder wirtschaftlich noch zweckmäßig". Denn so wurde der Wettbewerb zwischen den Bewerbern ausgeschaltet, kaum jemand konnte alle Leistungen erbringen. Nur ein Bewerber blieb über, gegenüber diesem hatte der KAV eine ungünstige Verhandlungsposition. Im April 2010 widerrief der KAV daher das Verhandlungsverfahren. Vier Jahre Zeitverlust seien so entstanden, so der Rechnungshof.
Auch die neue Vergabestrategie ging nicht auf. 250 Vergabeverfahren wurden ausgeschrieben. Der KAV habe die hohe Anzahl an Auftragnehmer aber nicht koordinieren können, so der Bericht. Mehrkosten von 203,93 Millionen Euro seien dadurch entstanden. Diese Kosten- und Terminüberschreitungen bei der Bauausführung führten wiederum dazu, dass die Honorare für externe Auftragnehmer - zum Beispiel für Rechtsanwälte, Gutachter und die Bauaufsicht - sich von den geplanten 128,13 Millionen auf rund 217,97 Millionen Euro erhöhten.
8163 Baumängel
Im Juli 2016 stellte die örtliche Bauaufsicht 8163 Baumängel fest, "die von den Schwächen der vom KAV eingerichteten Projektorganisation zeugten". Stützen wurden falsch platziert, sie mussten abgerissen und neu errichtet werden.
Mit dem Innenausbau wurde begonnen, bevor die Fassade fertiggestellt war, Schimmelschäden folgten. Brandschutzuntaugliche Elektrodosen wurden in Brandschutzwände eingebaut. "Eine rechtzeitige Bauunterbrechung wäre sinnvoll gewesen", so der Bericht. Der KAV hätte die Zeit nützen können, um Planungsmängel auszubessern. Es wurde aber weitergebaut.
Statt wie geplant 2016 soll das KH Nord nun erst im Herbst 2019 in Betrieb gehen. "Durch die Verzögerungen entgingen dem KAV jährlich rund 30,96 Millionen Euro an Einsparungen und Mehreinnahmen", so der Bericht. Letztlich dürften die 2010 geplanten Kosten von 1,017 Milliarden Euro um zumindest 272 Millionen Euro überschritten werden, im schlechtesten Fall um 388 Millionen. Der KAV will aus Regressforderungen ab 2021 gegenüber Auftragnehmern und Versicherungen ab 2021 200 Millionen Euro lukrieren. Der Rechnungshof bezweifelt, dass das in dieser Höhe gelingt.
Für die Opposition ist der Bericht eine Bestätigung ihrer langjährigen Kritik. Der Bericht lese sich "wie eine Chronologie des Totalversagens", stellte FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl fest. "Einfach nur alles, was man falsch machen kann, kann die rot-grüne Stadtregierung auf ihrer Check-Liste des Scheiterns abhaken", zeigte sich Seidl "fassungslos". Auch die ÖVP übte Kritik. Der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch erwartet sich vom künftigen Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sowie vom designierten Bürgermeister Michael Ludwig umfassende Transparenz und Kooperation. Für die Neos ist es "offensichtlich, dass hier ein Netzwerk der Freunderlwirtschaft und Inkompetenz zwischen SPÖ und KAV den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zig Millionen Euro gekostet hat", so Gemeinderat Christoph Wiederkehr.
Die Untersuchungszeit läuft
Für die SPÖ meldete sich lediglich SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch zu Wort: "Wir werden etwaige Fehler lückenlos aufklären und feststellen, ob und wo es eine politische Verantwortung gibt", versicherte er und verwies auf die U-Kommission, die am 27. April von Rot-Grün beschlossen wurde.
Ob und wann diese jedoch Licht ins Dunkel bringen wird, ist noch offen. Am Freitag wurde bekannt, dass die beiden bereits Anfang Mai gelosten möglichen Vorsitzenden den Job nicht annehmen werden. "Aus verständlichen beruflichen Gründen", ließ Gemeinderatsvorsitzender Thomas Reindl (SPÖ) am Freitag ausrichten. Die Stadtverfassung sieht vor, dass der Vorsitzende und sein Vize aus einem Pool von neun Nominierten gezogen werden, die unter anderen vom Oberlandesgericht Wien vorgeschlagen werden. Nun muss erneut gelost werden. Die nächste Möglichkeit dafür ist der 22. Mai in der nächsten Präsidialsitzung.
Der Zeitverlust ist nicht unbedeutend, da eine Untersuchung ab Beschluss höchstens zwölf Monate läuft und im Gegensatz zu einem Bundes-U-Ausschuss nicht verlängert werden kann. Die U-Kommission wird daher frühestens im Sommer ihre Arbeit aufnehmen können und hat damit bereits zwei Monate Aufklärungsarbeit verloren. Auch ist es noch unklar, wie die Zeugenlisten aussehen werden. Diese müssen gemeinsam von SPÖ und Grünen beschlossen werden.