Zum Hauptinhalt springen

Vernichtung durch Vergewaltigung

Von Michael Schmölzer

Politik
Frauen-Schändung zerstört Ethnien: Bergoffen. Foto: schmoe

US-Professorin referiert über heimtückische Genozid-Methode. | Wien. "Sklaverei ist kein Thema mehr; was uns bewegt und auch in Zukunft schwer zu schaffen machen wird, ist systematische Vergewaltigung als Genozid-Strategie." Debra Bergoffen ist Professorin an der George Manson University in Virginia, am Freitag hat sie im Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen zum Thema Vergewaltigung als Kriegswaffe referiert. Bergoffens zentrale These: Vergewaltigung ist eine äußerst effiziente Genozid-Strategie, weil dadurch die zwischenmenschlichen Beziehungen einer Ethnie dauerhaft zerstört werden. Das würde deshalb funktionieren, weil - wie das in Ex-Jugoslawien oder in Ruanda der Fall sei - die Ehre der gesamten Gemeinschaft in der Unversehrtheit des weiblichen Körpers begründet liege.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die männlichen Mitglieder eines Dorfes würden die Vergewaltigung ihrer Ehefrauen, Mütter, Töchter als eigene Vernichtung erleben, weil sie ihrer Rolle als Beschützer nicht nachkommen könnten. Erst die erlernten Geschlechterrollen würden Vergewaltigung als Kriegswaffe derartig effizient machen, so Bergoffen. Diese Vorstellungen besagten, dass Männer die Gemeinschaft bewachen, während sich um die Frauen herum die zwischenmenschlichen und intimen Verbindungen gruppierten. Die Schändung der Frauen würde diese Verbindungen und damit die ganze Gemeinschaft als solche zerstören.

Öffentliches Spektakel

Wenn eine muslimische Frau vor den Augen ihres Vaters vergewaltigt werde, dann sei der Vater in den Augen der Tochter tot, beschreibt die Wissenschafterin. Deshalb würden Vergewaltigungen zum Ziel der ethnischen Säuberung immer als öffentliches Spektakel abgehalten, um die Männer des Dorfes zu Zeugen zu machen. Vergewaltigungen hinter verschlossener Türe fänden hier so gut wie nicht statt. Die Täter, etwa bosnische Serben während des Balkan-Krieges, würden dabei immer in Gruppen handeln ("gang rapes") und sicherstellen, dass sich die Gemeinschaft von der erlittenen Demütigung nicht mehr erholen könne.

Bei einzelnen Vergewaltigungen werde die Schmach vom Opfer der Gemeinschaft gegenüber als so groß empfunden, dass die Geschändete nicht mehr in ihre Umgebung zurückkehren könne, weiß Bergoffen. In der Tat irren etwa im Osten des Kongo, wo Vergewaltigung massiv als Waffe eingesetzt wird, unzählige Frauen ausgestoßen durch den Dschungel.

Ein Stichtag für Bergoffen ist der 22. Februar 2001. Damals wurden drei bosnische Serben vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Den ehemaligen Soldaten war Vergewaltigung im Krieg zur Last gelegt worden. Vor ziemlich genau einem Jahr, am 19. Juni 2008, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1820, mit der sexualisierte Gewalt erstmals als Kriegsverbrechen gebrandmarkt und international verfolgt wird.

Da vergewaltigte Frauen meist schweigen, plädiert Bergoffen für ein neues, fundamentales Menschenrecht: Nämlich das auf sexuelle Selbstbestimmung. Damit würden die Opfer in eine stärkere, sprechende Rolle gebracht.