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Vernünftige Erziehung zu politischen Zielen

Von Heike Hausensteiner

Politik

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Das österreichische Erziehungssystem steht derzeit mehr auf dem finanziellen als auf dem inhaltlichen Prüfstand. Die Pädagogik hat hier zu Lande eine längere Tradition und ist als Lehrfach an den Universitäten früher als in den meisten anderen Ländern eingeführt worden.

Zurück zu den gemeinsamen historischen und kulturellen Wurzeln von Klagenfurt, Krakau und Klausenburg, von Lemberg, Linz und Laibach, über Prag, Salzburg und Padua führt der deutsche Erziehungswissenschaftler Wolfgang Brezinka. Er schildert die Geschichte der Pädagogik und der ihr gewidmeten Lehrkanzeln an den österreichischen Universitäten von den Anfängen - also ab dem Vielvölkerstaat der Habsburger-Monarchie - bis zur Gegenwart.

"Im aufgeklärten Absolutismus konnte die Regierung ihren politischen Zielen nur näher kommen, wenn sie als Mittel vernünftige Erziehung und nützlichen Schulunterricht für alle Bürger einsetzte", erläutert Brezinka den Grund für das frühe Fach Pädagogik an den österreichischen Universitäten. Die Idee, Lehrkanzeln für "Erziehungskunde" einzurichten, wurde bereits 1771 unter Kaiserin Maria Theresia erwogen; erstmals umgesetzt wurde der Plan ab 1805 unter Kaiser Franz I., weiß Brezinka auf Grund der von ihm untersuchten Primärquellen. Einen ersten Aufschwung erlebte die "Pädagogik" - um der Lehrerbildung willen - ab den 1870-er Jahren. Mangels wissenschaftlichen Ansehens sei die Pädagogik "lange nicht über eine bescheidene Randstellung hinausgekommen", so Brezinka.

Pädagogische Dissertationen gab es an der - für die Entwicklung im Gesamtstaat maßgeblichen - Universität Wien ab 1910. Habilitationen, um eine Professur in Pädagogik zu erlangen, blieben bis zum letzten Drittel des 20. Jahrhunderts selten.

Erst das Jahr 1964 und ein Erlass des damaligen Unterrichtsministers Theodor Piffl-Percevic über den "Ausbau der Lehrkanzeln für Erziehungswissenschaft und ihre Hilfswissenschaften" läutete eine Periode der raschen Expansion des Pädagogikfaches in Österreich ein. Mit den bekannten Folgen: Dass nämlich Pädagogik nicht nur zu einer der heute beliebtesten Studienrichtungen geworden ist, sondern dass sich auch die Lehramtsausbildung deutlich verbessert hat.

Brezinka, vormals Pädagogikprofessor an den Universitäten Innsbruck sowie Konstanz und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sieht denn auch den Aufstieg der Pädagogik zu einem selbstständigen und gleichberechtigten Universitätsfach abgeschlossen. Grund genug für ihn, den ersten Band eines auf drei Bände angelegten Werkes über die kulturgeschichtliche wie politische Entwicklung von "Pädagogik in Österreich" herauszugeben.

Hervorzuheben ist, dass Brezinka in seinem rund 1.000-seitigen wissenschaftlichen Kompendium den Bogen bis zur Erwachsenenbildung spannt. Auf die Pädagogik an der Katholisch- und an der Evangelisch-Theologischen Fakultät geht er ebenso detailliert ein wie auf die Bedeutung von Wirtschaftspädagogik (weniger ausführlich) und Sportpädagogik. Hier hat sich eine relativ junge wissenschaftliche Disziplin den Erfordernissen der Realität angepasst, zumal immer mehr Erziehungsaufgaben an die Schule delegiert werden.

Wolfgang Brezinka: Pädagogik in Österreich - Die Geschichte des Faches an den Universitäten vom 18. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2000, ISBN 3-7001-2908-4.