Eine schöne Verpackung macht neugierig. Das gilt nicht nur für Geschenke, auch Produkte im Geschäft verkaufen sich vor allem durch ihr attraktives Äußeres. Oberflächlichkeit wird man in diesem Metier aber vergeblich suchen.
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"Verhüllung ist Verheißung", meinte einst der Verpackungskünstler Christo. Und auch wenn allgemein verbreitet wird, wichtig sei der Inhalt, nicht die Verpackung, kann man dennoch permanent das Gegenteil beobachten.
In einer Überfülle an Angeboten im Supermarkt buhlen tausenderlei Verpackungen um die Aufmerksamkeit der Kunden. Nur wer sein Produkt so verhüllt, dass er Neugier weckt, Vertrauen in das Verpackte vermittelt und die entsprechende Zielgruppe punktgenau einwickelt, wird hier Erfolg haben.
Verpackung ist hohe Kunst und akribische Wissenschaft, sie lenkt und leitet, verleitet und verführt zu Konsum. Verpackungen sind also auch mächtige Waffen, die sich hartnäckig in den Köpfen all derer einprägen, für die sie bestimmt sind. Oder: Wer wüsste nicht, welche Creme in der blauvioletten, kreisrunden Blechdose mit weißem Aufdruck ist? Welches koffeinhältige Erfrischungsgetränk verbirgt sich in der stets charakteristisch taillierten Flasche mit rot-weißem Aufdruck? Oder ist es am Ende purer Zufall, dass nach einer Ära stets in dunklen Farben gehaltener Elektronikgeräte plötzlich mobile Musikgeräte in weißer Hochglanzoptik den Markt eroberten?
Es zählt der Inhalt - oder? Alles klar, alles "nur" Verpackung. Wer sie ignoriert, sorglos entsorgt, tut ihr aber Unrecht. Schließlich ist sie längst auch ein Politikum: Verpackungsverordnungen, Mogelpackungen, Recycling - wer verpackt, entkommt der politischen Diskussion nicht. Hunderte Gehirne brüten permanent über diesem Thema, tausende Verwaltungsakten weisen ihm Wichtigkeit zu, Millionen Kilogramm an dazu gehörigem Material beschäftigen Logistiker rund um den Erdball. Verpackungen gehören zum Alltag, verwickeln uns in unzählige Verbindlichkeiten, beschäftigen uns oft weit mehr, als sie das vielleicht sollten.
Aber schließlich zählt ja der Inhalt. Genau dieser ist es auch, der oft zum eigenen Schutz nach einer Verpackung verlangt. Von den antiken Tonkrügen, die Lebensmittel frisch halten sollten, über wasserabweisende, gewachste Lederumschläge bis zur ersten Konservendose - übrigens im Jahr 1804 vom Zuckerbäcker Francois Nicolas Appelt erfunden und noch aus Glas - beschützen Verpackungen ihren Inhalt.
Sie ermöglichen es erst, verderbliche Waren haltbar zu machen. Nur mit ihnen war Vorratshaltung möglich, nur so kam der weltweite Handel mit verderblicher Ware zustande. Und je besser die Verpackung, desto länger war ihr Inhalt genießbar. Soviel also zur Beziehung zwischen Inhalt und Verpackung.
Vorbild Natur. Aber auch die schönste Verpackung von Menschenhand ist letztlich nur ein Abklatsch dessen, was die Natur uns permanent vormacht. Man nehme nur eine Bananenschale: Sie schützt die Frucht vor Insekten und Witterung, zeigt den Reifegrad des Inhaltes an und verursacht keinerlei Entsorgungsproblem, denn verrottet sie, ist sie schon wieder Nahrung für künftige Pflanzengenerationen.
Ähnlich genial die Eierschale: Sie schützt den Embryo, indem sie eine gleichbleibende Temperatur im Inneren gewährleistet. Das gelingt der zerbrechlichen Schale mit Pigmenten, die Sonnenstrahlen reflektieren. Außerdem kann sie einen Gasaustausch zwischen Innen und Außen vornehmen, der je nach Vogelart und Brütgewohnheiten unterschiedlich verläuft. Zu guter Letzt muss ein Ei noch zerbrechlich sein, damit das Vogeljunge auch schlüpfen kann. Oft wird gegen Ende der Brutzeit die Schale dünner, um das zu erleichtern. Und auch hier gibt es keinerlei Recyclingprobleme, ist doch der Hauptbestandteil einer Eierschale Kalk, der sich alsbald wieder im Boden löst.
Man kann sich also von der Natur durchaus etwas abschauen. Hat man auch getan. Klettverschlüsse zum Beispiel sind von den Kletten und ihren winzigen Widerhaken inspiriert worden, von Tintenfischen kupferten die Menschen das Prinzip des Saugnapfes ab. Bei Wellpappe beobachtete man zunächst, dass gefaltete Formen in der Natur einfach stabiler und damit auch stoßsicherer sind. Papier produzierte man nach dem Vorbild der Wespen und ihrer Nester. Schaumstoff und Folien verschiedenster Machart - alles letztlich nur kopiert. Noch arbeitet man an Stoffen, die Eigenschaften der menschlichen Haut nachvollziehen können: Temperaturausgleich, Schutz vor mechanischer Zerstörung inklusive Selbstheilung, bakterieller Schutzschild, Ausscheidung und Sinneswahrnehmung. Hier zeigt die Natur, was eine Verpackung alles kann. Und dem Menschen bleibt trotz aller technischer Unterstützung und intellektueller Anstrengung nur, sich vor dieser perfekten Verpackung zu verbeugen.
Die Verpackung des Menschen. Menschen mögen, brauchen, wollen also Verpackung. Von der Notwendigkeit, Verderbliches zu schützen, bis zur Verpackung als Appetizer spannt sich hier der Bogen. Letztlich ist auch die menschliche Kleidung eine Form der Verpackung. Schließlich bräuchten wir als Schutz vor Hitze oder Kälte bzw. mechanischen Verletzungen weit weniger Accessoires - was die Kleiderschrank-Probleme entschärfen würde.
Tatsache ist aber, dass sich Männer wie Frauen täglich verpacken, sich selbst damit zum Inhalt machen, der präsentiert werden soll. Nicht immer ist die Entscheidung über die Verpackung eine völlig freiwillige, oft wird sie von der Umgebung diktiert, von Konventionen, Erwartungshaltungen, Gruppendruck.
Die Verpackung des Menschen wird also an die Situation angepasst: Anzug und Krawatte oder Jeans und Pullover, Abendkleid oder Jogginganzug - Kleidung ist eine Verpackung mit sowohl bewusster wie oft auch unbewusster Aussage. Wer sich so oder anders kleidet, sagt auch: Ich gehöre zu einer bestimmten Gruppe, gehe einer bestimmten Arbeit nach, zeige ein bestimmtes Freizeitverhalten.
Nicht immer, aber doch manchmal steckt hinter der Verhüllung des menschlichen Körpers auch die Idee, andere zur Enthüllung des selbigen zu inspirieren. Womit man mitten im menschlichen Balzverhalten angekommen wäre: Da wird gezeigt, aber nicht alles, angedeutet, aber nicht ausgesprochen, gelockt und auf Distanz gehalten. Menschliche Kleidung als Lockmittel, auch das ist Verpackung.
Geschenke lassen Gefühle sprechen. Sie kommen idealer Weise von Herzen, sollen erfreuen, bezaubern, den Schenkenden gegenüber dem Beschenkten ins rechte Licht setzen, beeindrucken, zum Lachen bringen oder auch Liebe ausdrücken, manchmal sogar über ihren Inhalt, seine Form und Größe in die Irre führen und womöglich sogar bestechend wirken: Geschenke sind für sich schon eine vielschichtige Angelegenheit. Die Verpackung verleiht ihnen noch eine zusätzliche Aussage.
Liebevoll eingewickelt, prunkvoll präsentiert, stilvoll oder schlicht - wer Geschenke einpackt, kommt um gewisse Gedanken zur beabsichtigten Aussage der Verpackung nicht herum. Oder man muss sich zwangsläufig darauf beschränken, was einem physisch möglich ist. Schließlich hat nicht jeder geschickte Hände, die Schleifen und Bänder, Papier und Pappe zu kunstvollen Gebilden arrangieren können. So mancher holt sich hier professionelle Hilfe. Immer öfter stehen zur Weihnachtszeit in Kaufhäusern und Parfümerien professionelle Päckchen-Gestalter zur Verfügung - denn Weihnachten ist nicht nur ein Fest der Geschenke, sondern auch der Verpackungen.
Dennoch, vor allem im privaten Kreis, kommen persönlich verpackte Geschenke immer noch besser an als solche, denen man die Fremdhilfe ansieht. So gibt es Familien, in denen zu allen Gelegenheiten des Schenkens ein wahrer Wettbewerb ausbricht, wie viel Klebeband notwendig war, das jeweilige Präsent zu verpacken. Sieger ist, wer keiner klebrigen Assistenz bedurfte, um sein Ziel zu erreichen. Sehr beliebt ist auch die irreführende Verpackung: Groß aufgemotzt scheint die Verpackung zu sagen: Ich bin etwas ganz Großes - um es dem Beschenkten unmöglich zu machen, den Inhalt zu erraten, der sich klein und fein irgendwo im Inneren, umhüllt von vielen (ver)packenden Irrwegen verbirgt. So wird Auspacken zum Abenteuer, der Inhalt zum Ratespiel, die Geschenkverpackung zum Unterhaltungsinstrument für alle Anwesenden.
Wer also das Spiel mit der Verpackung beherrscht, dem gehört die Aufmerksamkeit des Auspackenden ebenso wie er sich einen Platz in dessen Erinnerung erobert - Geschenk oder Ware, Mensch oder Natur - Verpackung ist mehr als nur eine Hülle für den Inhalt. Sie ist Aussage für sich, Kunst und Kultur, Spiel und Wissenschaft.
Buchtipp.
The Package Design Book
Dieses schwergewichtige Kompendium zeigt, was kommerzielle Verpackung alles kann. Verpackung als unterschätzte Kunstform, kunstvoll inszeniert als Bilderbuch für Insider und Interessierte. In Englisch, Französisch und Deutsch werden die Gewinner der Pentawards für die besten Verpackungen 2009 und 2010 sowie die wichtigsten Gewinner aus dem Jahr 2008 vorgestellt: 400 Designs aus 39 Ländern in sechs Kategorien wie z.B. Getränke, Nahrung oder Luxus.
Julius Wiedemann (Hg.): The Package Design Book; Taschen Verlag; Preis: 39,99 Euro