Die "Wiener Zeitung" analysiert das VfGH-Erkenntnis. Alle Paare können künftig wählen, ob sie eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft eingehen.
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Wien. Das am Dienstag veröffentlichte Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis krempelt das österreichische Familienrecht gehörig um. Das Höchstgericht hat jene Bestimmungen aufgehoben, die gleichgeschlechtlichen Partnern den Zugang zur Ehe und verschiedengeschlechtlichen Paaren die Schließung einer eingetragenen Partnerschaft (EP) verwehrt haben. Die "Wiener Zeitung" analysiert das Erkenntnis und die damit verbundenen Auswirkungen.
Welche Folgen hat das VfGH-Erkenntnis?
Gleichgeschlechtliche Paare können in Österreich künftig heiraten - spätestens am 1. Jänner 2019. Denn bis 31. Dezember 2018 bleiben die aufgehobenen Bestimmungen noch in Kraft.
Möglich wäre allerdings, dass der Gesetzgeber bereits vorher die Bestimmungen aufhebt oder abändert. Jene gleichgeschlechtlichen Paare, die vor dem aufhebenden Erkenntnis eine entsprechende Beschwerde eingebracht haben, können bereits ab Zustellung der VfGH-Entscheidung eine Ehe eingehen.
Entscheidet sich der Gesetzgeber dazu, keine Änderung vorzunehmen, werden gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare künftig auch die Wahl haben, ob sie eine EP oder Ehe eingehen.
"Das halte ich nicht für sinnvoll", sagt Constanze Fischer-Czermak, Vorständin des Instituts für Zivilrecht an der Universität Wien. Denn am Anfang habe es zwischen den beiden Rechtsinstituten noch Unterschiede gegeben. Inzwischen seien diese aber weitgehend beseitigt worden, sodass es heute nur noch vereinzelt abweichende Regelungen gebe.
So kann die EP etwa bei einer seit drei Jahren aufgelösten häuslichen Gemeinschaft aufgehoben werden, während bei der Ehe in Härtefällen eine Scheidung erst nach sechs Jahren möglich ist.
"Vernünftig wäre es, das Eingetragene-Partnerschafts-Gesetz aufzuheben und Überleitungsbestimmungen für jene zu erlassen, die eine eingetragene Partnerschaft eingegangen sind", sagt Fischer-Czermak. Dass die VfGH-Entscheidung auch weitere rechtliche Auswirkungen - etwa im Abstammungsrecht - mit sich bringen wird, glaubt sie nicht.
Warum hat der VfGH so entschieden?
Die Trennung "von Beziehungen, die in ihrem Wesen und in ihrer Bedeutung für den individuellen Menschen grundsätzlich gleich sind" in verschiedene Rechtsinstitute habe einen diskriminierenden Effekt, so der VfGH. Sie bringe zum Ausdruck, dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung anders als Personen mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung seien. Gerade der Gleichheitsgrundsatz - nach welchem alle Vorrechte des Geschlechts ausgeschlossen werden - verbiete eine solche Diskriminierung, so der VfGH.
"Die Diskriminierung besteht für den VfGH auch darin, dass man, wenn man sich als ,verpartnert‘ bezeichnen muss, seine sexuelle Orientierung öffentlich bekannt geben muss. Das ist ein progressiver Ansatz", sagt Daniel Ennöckl, Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien.
Man müsse aber beachten, dass bei Entscheidungen rund um den Gleichheitsgrundsatz immer die persönlichen Werturteile der Richter miteinfließen würden, meint der Staatsrechtler. Der Kritik, dass der Verfassungsgerichtshof zunehmend als negativer Gesetzgeber tätig werde, entgegnet Ennöckl: "Wenn die Politik nicht bereit ist, Entscheidungen zu treffen, liegt der Ball irgendwann beim VfGH."
Welche Reaktionen gab es auf das Erkenntnis?
Bundeskanzler Christian Kern sprach von einem Zeichen der Gleichberechtigung. Auch die Neos und Liste Pilz freuten sich. Die ÖVP nahm die Entscheidung zur Kenntnis. Kirche und FPÖ übten Kritik. Die Ehe sei "wie keine andere Beziehung geeignet, Kinder hervorzubringen (...). Wenn der VfGH (...) die juristische Sonderstellung der Ehe verneint, die auf der Unterschiedlichkeit der Geschlechter aufbaut, verneint er die Wirklichkeit", sagte Kardinal Christoph Schönborn.
Ennöckl hält davon wenig: "Dann müsste man für Menschen ab 60 ein Eheverbot aussprechen. Die Ehe nur mehr als Fortpflanzungsgemeinschaft zu sehen, geht an der Lebensrealität vorbei."