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Verpönte "Topanwälte"

Von Martin Sattler

Wirtschaft
§ 45 (1) der Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes: "Der Anwalt wirbt vornehmlich durch die Qualität seiner anwaltlichen Leistung." Foto: illuscope

Guter Ruf der Anwälte auf dem Spiel. | Strafen bis zu 45.000 Euro drohen. | Wien. Werbung ist die Kunst, auf den Kopf zu zielen und die Brieftasche zu treffen, besagt ein altes Sprichwort. Trotzdem gilt dieser Spruch nicht für alle Unternehmer gleich. Branchen, die großen Wert auf Seriösität und gutes Image legen, heben die Latte des dabei Erlaubten sehr hoch. Dazu zählen auch die österreichischen Rechtsanwälte, die eigenen Werbevorschriften in den "Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes" unterliegen. Bei Verstößen drohen Bußen bis zu 45.000 Euro und schlimmstenfalls die Streichung von der Anwaltsliste.


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Sachlich und seriös

Zulässig ist Werbung, wenn sie vor allem "sachlich und im Einklang mit Ehre und Ansehen des Standes" ist; unzulässig ist hingegen marktschreierische und vergleichende Werbung sowie der Verweis auf Umsatz- oder Erfolgszahlen. Dass es aber nicht immer leicht ist, wirksame Werbung und Standesvorschriften in Übereinstimmung zu bringen, zeigt die rege Tätigkeit der Disziplinarkommissionen der Rechtsanwälte bzw. der übergeordneten Gerichte. Jedenfalls unzulässig ist Werbung, wenn sie potentielle Klienten irreführt. Werden zum Beispiel auf dem Briefkopf neben den Namen der Anwälte auch die Namen der Konzipienten in einer Weise angeführt, dass unkundige Leser diese für Anwälte halten könnten, liegt ein Verstoß gegen die anwaltlichen Werbevorgaben vor. Gleiches gilt für Abkürzungen, die besondere juristische Fähigkeiten suggerieren. Eine Sozietät verwendete das Kürzel LAW ("Linzer Anwälte") und erweckte laut Oberstem Gerichtshof den Eindruck einer Spitzenleistung im anglo-amerikanischen Recht. Die Bezeichnung sei irreführend und daher unzulässig, so die Richter (4 Ob 2276/96a).

Gleiches gilt für die Verwendung einer Domain (etwa www.scheidungsanwalt.at), bei der vor allem der Anlockungseffekt überwiegt und die Kenntnisse in einem Fachgebiet andeutet, das aber zum Standardrepertoire eines Anwaltes zählt (VfGH vom 9.6.2004). Zulässig ist jedoch ein gut sichtbarer Vermerk auf der Website, mit dem auf den reinen Werbecharakter der Domain verwiesen wird, ohne sich als ausschließlicher Experte zu präsentieren.

Britische Scheidung

Besonders streng sind die Disziplinarkommissionen und Gerichte bei marktschreierischer - also sich aufdrängender - Werbung und Selbstanpreisung. Schon die Bezeichnung als Topanwalt ist unzulässig, da "Top" bedeutet, dass es darüber hinausgehend nichts Besseres gibt. Ein anderer Anwalt hatte wiederum damit geworben, via Telefon rasch Lösungen zu bieten. Nach Ansicht der Kommission war die Werbung marktschreierisch, da völlig unrealistisch. Dass Anwälte aber selbst bei Interviews und Zeitungsberichten aufpassen müssen, zeigt das Beispiel eines Anwaltes, der gemeinsam mit einem Journalisten ein "Scheidungsverfahren im Hause Windsor" durchgespielt hatte, wobei er als Rechtsberater eines Mitglieds des englischen Königshauses fungierte. Der VfGH sah darin eine verpönte Selbstinszenierung und reklamehaftes Herausstellen der Person. Es ist offenkundig, dass der Jurist durch sein Verhalten aktiv am Erscheinen des Artikels in der Zeitung mitgewirkt hat, so die Höchstrichter.

Immer aggressiver

Trotzdem hat sich in den vergangenen Jahren die strenge Sicht der Disziplinarkommissionen etwas gelockert. Nicht zuletzt deswegen, weil Werbung generell aggressiver wird und Konsumenten sich daran gewöhnt haben.