Zum Hauptinhalt springen

Verpuffte Hoffnungen

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Israelis und Palästinenser beschießen einander wieder.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Kairo. Die Ägypter mühen sich redlich, aber es will einfach nicht gelingen. Seit Wochen wird in Kairo über eine Lösung für Gaza und Israel verhandelt. Doch der Erfolg ist dürftig. Man hangelt sich von einer Waffenruhe zur nächsten. Die meisten werden wieder gebrochen. Gegenseitige Schuldzuweisungen und immer wieder Bomben und Raketen: Die Bilanz des Konflikts ist so verheerend, dass es derzeit nur schwer vorstellbar ist, dass die Gewaltspirale in Kürze endet. Auch gestern Nachmittag wurden wieder drei Raketen auf Beer Sheva im Süden Israels abgeschossen, kurz bevor eine Verlängerung des x-ten Waffenstillstands in Kraft treten konnte. Aus Jerusalem war sofort zu hören, man werde entsprechend reagieren.

Die Diskussionsrunde in Kairo, in der es endlich um eine längerfristige Lösung gehen sollte, ist somit erneut in weite Ferne gerückt. Seit die israelische Armee ihre Militäroperation im Gazastreifen am 8. Juli begann, sind 2016 Palästinenser und 66 Israelis getötet worden. Über tausend Raketen wurden auf Israel abgefeuert und über hundert Luftangriffe auf Gaza geflogen. Nach UN-Angaben sind dort etwa 16.800 Häuser zerstört worden. Außerdem seien mehr als 100 Einrichtungen der Vereinten Nationen ebenfalls zerstört. Die UNO unterhält Schulen und Flüchtlingslager im mit 1,8 Millionen Einwohnern am dichtesten besiedelten Küstenstreifen der Welt.

Dass die Ägypter keinen Erfolg bei ihrer Vermittlertätigkeit haben, liegt nicht daran, dass in Kairo immer wieder die Lichter ausgehen. Eine noch nie dagewesene Energiekrise sucht das Pharaonenland derzeit heim. In manchen Gebieten gibt es ununterbrochen stundenlange Stromausfälle. Die Versorgung des Konferenzzentrums unweit des Flughafens wird mit Generatoren sichergestellt. Es liegt auch nicht daran, dass Israel und die Hamas selbst nach mehreren Verhandlungsrunden noch immer nicht direkt miteinander, sondern nur über Vermittler sprechen. Das war in dem langen Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis ständig so. Doch haben es die ägyptischen Vermittler in der Vergangenheit dann doch immer wieder geschafft, einen tragfähigen Kompromiss auszuhandeln. Dieses Mal aber klappt nichts.

Wie verhärtet die Positionen sind, zeigen die letzten Statements der beiden Konfliktparteien. So erklärt der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu, nur wenn Israel sicher sein könne, nicht mehr mit Raketen beschossen zu werden, könne es in Kairo eine Vereinbarung geben. Die radikal-islamische Hamas habe im Gaza-Krieg einen schweren Schlag erlitten. "Wenn die Hamas glaubt, sie könnte eine militärische Niederlage in einen diplomatischen Erfolg verwandeln, dann irrt sie." Israel werde auch künftig hart auf Raketenangriffe aus dem Gazastreifen reagieren und sich von der Hamas nicht einschüchtern lassen. Und aus dem Gazastreifen ist zu hören: "Israel muss die Forderungen des palästinensischen Volkes erfüllen oder es steht vor einem langen Krieg", so der Chef der Hamas-Außenpolitik, Osama Hamdan. Nur wenn die Blockade des Gazastreifens völlig aufgehoben werde und die Palästinenser dies spürten, könne es Sicherheit für Israel geben. Gestern Abend flog die israelische Armee erneut Luftangriffe auf Gaza.

Dass in Kairo niemand diese Knoten lösen kann, liegt an den politischen Veränderungen der letzten Jahre. Die Ägypter werden nicht mehr als legitime Vermittler betrachtet. Die Hamas misstraut Kairo und auch die Israelis haben ihre Bedenken. Denn die Haltung Ägyptens gegenüber der radikalen Palästinenserfraktion hat sich seit dem Ausbruch der Rebellion in Ägypten im Frühjahr 2011 dramatisch verändert. Während die Muslimbruderschaft mit ihrem Präsidenten Mohammed Mursi eine völlig neue Politik gegenüber Hamas einleitete, deren Führung weg vom Einfluss Irans und hin zu den arabischen Ländern wie Katar und Ägypten führte, erklärt die neue Militärführung unter Präsident Abdul Fattah al-Sisi die Hamas nun zu Staatsfeinden. Zusammen mit den Muslimbrüdern sind auch Mitglieder der Hamas angeklagt, den Sturz Mubaraks befördert und Gefängnisausbrüche organisiert zu haben.

Andere Vermittler nicht in Sicht

Die Öffnung des Gazastreifens durch Mursi wurde von Sisi sofort wieder rückgängig gemacht. Nachdem die israelische Armee inzwischen nahezu alle Versorgungstunnel zerbombt hat, ist die Forderung der Hamas, die Blockade des Gazastreifens aufzuheben auch eine Forderung an Ägypten, den Grenzübergang Rafah wieder zu öffnen. Al-Sisi wird dies allerdings kaum zulassen, denn er macht die Hamas mitverantwortlich für den Terror auf der Halbinsel Sinai, den die ägyptische Armee auch nach monatelangen Militäroperationen nicht in den Griff bekommt. Solange aber eine gewisse Vertrauensbasis zwischen Gaza und Kairo fehlt, wird auch Israel allen Vorschlägen Ägyptens skeptisch gegenüberstehen. Doch ein anderer, von beiden Seiten akzeptierter Vermittler ist nicht in Sicht.