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Verräterisches Abwarten

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Seit 2003 gibt es die Empfehlungen des Europarates zur Kontrolle von Parteienfinanzen und zum strafrechtlichen Umgang mit Korruption. Nun gibt es harsche Kritik des Rates an Österreich: Nichts davon sei umgesetzt worden, obwohl es schon im Juni 2011 eine deutliche Warnung gab. Wie immer bei scharfer Kritik von außen verfällt die heimische Politik in Aktionismus, gepaart mit dem Wegschieben der Verantwortung: Das Parlament sei am Zug, sagt die Regierung. Und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer kündigt an, dass im ersten Halbjahr 2012 "Nägel mit Köpfen" gemacht werden. Toll. Seit 2003 sind eh erst neun Jahre vergangen . . .

Hinter einem so langen Zuwarten steckt natürlich System, jede andere Begründung wäre naiv. Die heimischen Parteien müssen immer noch keine ordentliche Buchhaltung führen, Landes- und Teilorganisationen sind im vorhandenen "Rechenschaftsbericht" überhaupt ausgeklammert. Was Korruption ist und was nicht, kann bis zur Unkenntlichkeit interpretiert werden. Die Nebeneinkünfte von Abgeordneten sind nicht lückenlos geregelt, und die dazugehörigen Veröffentlichungsvorschriften sind eher das Gegenteil von Publizität. Ein unabhängiges Aufsichtsgremium dafür gibt es gar nicht.

Während dieselben Abgeordneten im Parlament recht forsch Steuer- und Bilanzierungsgesetze verabschieden und das Unternehmensstrafrecht verschärften, gelten für sie selbst recht zahme Regelungen. Was zu tun wäre, wissen die Abgeordneten seit 2003 - nachzulesen auf der Homepage des Europarates.

Erstaunlich ist zudem, dass dies alles bisher durchgegangen ist - auch wir in den Medien haben insgesamt zu wenig Augenmerk darauf gelegt. Vor sieben Monaten hat die Regierung ein "Transparenzpaket" angekündigt - bei Korruptionsbestimmungen und Parteienfinanzierung tat sich seither nichts.

Warum der Nationalrat nun noch weitere sechs Monate für das Gesetz braucht, ist vollends unklar: Die Empfehlungen des Europarates sind klug, vom Justizministerium gibt es Anwendungs-Vorschläge. Sie umzusetzen ist eine Frage von Wochen, nicht Monaten. Dass es bei den Parteifinanzen einiges zu verbergen gibt, rufen die Spatzen vom Dach. Die Abgeordneten würden der Demokratie, der sie ihren Job verdanken, einen guten Dienst erweisen, wenn sie jetzt und selbst mit dem Aufräumen beginnen würden.