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Startschuss für die Aufarbeitung von sieben Insolvenzen der Versandgruppe. | Ende März hat Wettbewerbsbehörde Unterlassungsurteil erwirkt. | Wien.Bei Verbraucherschützern galt "Europas größter Gewinnversender" und Versandhändler "Friedrich Müller", der vom zweiten Wiener Gemeindebezirk seine "Gewinn-Briefe" en masse verschickte, jahrelang als personifizierter Alptraum. Denn die Geschäftsmasche, Konsumenten unter anderem in Deutschland mit Massenbriefen unter dem Titel "Aufforderungen zum Gewinnabruf" (2008) einzudecken, in denen den Adressaten unmissverständlich nahegelegt wurde, "ihre 25.000 Gewinnwertgutschrift" binnen 48 Stunden telefonisch anzumelden, sorgte für jede Menge Ärger.
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Für "diese Anmeldung" wurde für die Kunden unter anderem eine Mehrwertnummer eingerichtet. Kosten: 2,99 Euro pro Minute wie aus einem der Schreiben von "Friedrich Müller Büro für Gewinnverteilung" hervorgeht, das dem Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland vorliegt. Die "25.000 Gewinnwertgutschrift" entpuppte sich in den Teilnahmebedingungen als "Wertbonus" von je 250 Euro für zwei Personen für eine Flugreise an die türkische Riviera zu einem festgelegten Termin. Buchungsgebühr, Flughafengebühren (60 Euro pro Person) und das tägliche Abendessen (70 Euro pro Person) waren zusätzlich zu berappen.
Urteil durchgesetzt
Doch mit den geschäftlichen Umtrieben der "Konzernmarke" Friedrich Müller (Eigendefinition) dürfte nun endgültig Schluss sein. Noch Ende März 2011 hat die Bundeswettbewerbsbehörde - im Rahmen des Verbraucherschutz-Kooperationsgesetzes - für Frankreich und Deutschland ein Unterlassungsurteil gegen diese "irreführenden Gewinnspiele" beim Obersten Gerichtshof in Wien durchgesetzt. Demnach habe die Firma G.N.V. bei Verbrauchern den falschen Eindruck erweckt, dass sie einen Preis gewonnen haben, (.. .) obwohl der in Aussicht gestellte Preis unter allen Einsendern verlost und gleichmäßig aufgeteilt wird".
Mitte April haben dann sieben Gesellschaften aus dem Versandhandels- und Gewinnverteilungs-Firmenkonglomerat um Gerhard Bruckberger am Wiener Handelsgericht Insolvenz angemeldet: die WVD Direktverkauf GmbH, die G.N.V. Gesundheits- und Naturprodukte Versand GmbH, die I.R.U. Reiseunternehmen GmbH, die K.S.D. IT-Kundenservice GmbH, die U.S.G. Unterhaltungsspiele GmbH, die V.H.U. Versandhandelsunternehmen GmbH und die R.T.C. Radio-Television-Communcations HandelsgmbH.
Konkursgericht tagt
Heute, Dienstag, stehen diese im Mittelpunkt sogenannter Prüfungstagsatzungen am Wiener Konkursgericht. Alleine die WVD Direktverkauf hat 9,17 Millionen Euro Schulden, davon 3,5 Millionen Euro bei Lieferanten. Großgläubiger soll die Deutsche Post sein.
"Die Gläubiger bleiben auf der Strecke", meint Insolvenzexperte Gerhard Weinhofer von Creditreform. Denn die Aktiva werden lediglich mit 470.000 Euro beziffert, davon entfallen 215.000 Euro auf offene Forderungen, die rechtlich strittig sind.
"Masseverwalter Günter Hödl lässt die Buchhaltung der WVD insbesondere dahingehend untersuchen, inwieweit Anfechtungsansprüche gegeben sind bzw. wohin es zu Geldflüssen gekommen ist", heißt es in einem druckfrischen Bericht an das Insolvenzgericht. Als Pleite-Ursache gibt Bruckberger "die schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die durch die Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, sowie durch die Gebührenerhöhung der Deutschen Post" entstanden seien. Mit der Deutschen Post wurde prozessiert.
Gegen Firmenchef Gerhard Bruckberger - und ursprünglich 21 weitere Personen - ist seit dem Jahr 2000 ein Strafverfahren wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges anhängig. Im Mittelpunkt stehen die umstrittenen "Gewinnmitteilungen". Er bestreitet die Vorwürfe.
"Es ist ein Ermittlungsverfahren anhängig", bestätigt Richter Christian Gneist vom Straflandesgericht Wien gegenüber der "Wiener Zeitung". Zwar hat die Staatsanwaltschaft bereits 2007 Anklage erhoben, doch der Hauptverhandlungsrichter hat das Verfahren (Aktenzahl 223 Ur 6042/00s) an den Untersuchungsrichter zu weiteren Ermittlungen zurückgeschickt. Dort dümpelt es vor sich hin.
"Das Verfahren mit der Bundeswettbewerbsbehörde haben wir verloren", gibt Bruckberger zu. "Es gab in Deutschland Beschwerden von Konsumentenschützern, keine Frage." Nachsatz: "Wir haben alle Gewinne ausbezahlt, dafür gibt es Beweise - Fotos und Empfangsbestätigungen. Wir haben ein allerbestes Gewissen."
Quelle-Kauf gescheitert
Im Frühjahr 2010 tauchte Bruckberger plötzlich als Interessent für die Assets des insolventen Linzer Versandhauses Quelle auf. "Wir wollten gemeinsam mit Mike Lielacher Quelle erwerben, es ist uns aber leider nicht gelungen", sagt Bruckberger. "Ich mache keine Versandtätigkeiten mehr, wir beschäftigen uns mit der Machine Relationship Management MRM AG, einem Produktionscontrolling-Softwareunternehmen."