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Die politische Krise in Sri Lanka hat sich weiter verschärft: Präsidentin Chandrika Kumaratunga verhängte am Mittwoch den Ausnahmezustand über das Land, nachdem sie am Vortag bereits das Parlament aufgelöst und drei Minister entlassen hatte. Der Ausnahmezustand, mit dem das Militär weit reichende Befugnisse erhält, soll zunächst für zehn Tage gelten.
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Mit dem Quasi-Coup will Kumaratunga, die der oppositionellen Allianz des Volkes (PA) vorsteht, verhindern, dass die Regierung von Ministerpräsident Ranil Wickramasinge den tamilischen Rebellen zu weitreichende Zugeständnisse macht, um den seit 20 Jahren tobenden Bürgerkrieg endlich zu einem Ende zu führen. Den Kämpfen und zahlreichen Anschlägen fielen seit 1983 65.000 Menschen zum Opfer. Wickramasinghe, der gerade bei US-Präsident George Bush für seine Friedensagenda warb, als ihn die Nachricht vom Ausnahmezustand ereilte, wollte noch Ende dieses Monats neue Verhandlungen mit den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) beginnen.
Dabei sollte den hinduistischen Rebellen, die weite Teile des Ostens und Nordens der Insel kontrollieren, unter norwegischer Vermittlung eine weitreichende Autonomielösung angeboten werden. Im Gegenzug waren die LTTE nach eigenen Angaben bereit, ihre alte Forderung nach einem eigenen Tamilenstaat definitiv aufgeben.
Ob dieses Abkommen tatsächlich zustande gekommen wäre, ist fraglich. Die LTTE hatten sich im bisherigen Friedensprozess als überaus zäh erwiesen. Zwar unterzeichneten sie im Februar des Vorjahres mit der Regierungspartei Vereinte Nationale Front (UNF) ein Waffenstillstandsabkommen, das sie recht und schlecht einhielten, Fortschritte hin zu einer politischen Lösung blieben aber aus, weil sich die Rebellen immer wieder von den Friedensgesprächen zurückzogen. Auch die Demobilisierung ihrer Kämpfer stellten die LTTE bis zuletzt nicht zur Disposition, woran allerdings auch die Präsidentin eine Teilschuld trägt, da sie sich von vornherein substantiellen Konzessionen gegenüber den Rebellen widersetzt hatte und als Oberbefehlshaberin der Streitkräfte letztes Jahr zur Machtdemonstration an der Demarkationlinie Armeepanzer auffahren ließ.
Schwerer Rückschlag
Die Aufhebung der drei maßgeblich in die Verhandlungen eingebunden Schlüsselressorts und die gestrige Aufrufung des Ausnahmezustandes, der vorerst für 10 Tage gilt und dem Militär weitreichende Befugnisse einräumt, ist ein neuerlicher schwerer Rückschlag für den ohnehin brüchigen Friedensprozess. Auf einer Website der tamilischen Rebellen hieß es denn auch, die Chancen für ein Ende des Konfliktes hätten sich massiv verschlechtert.
Die Präsidentin, die 1999 den Anschlag eines tamilischen Selbstmordattentäters überlebt, dabei aber ein Auge verloren hatte, rechtfertigte die jüngsten Zwangsmaßnahmen damit, dass die rechtsstaatliche Ordnung im Land aufrecht erhalten und "eine weitere Verschlechterung der Sicherheitslage" verhindert werden müsse. Zugleich bemühte sich ein Berater Kumaratungas aber um Schadensbegrenzung. "Ich bin ausdrücklich von der Präsidentin ermächtigt zu erklären, dass der Waffenstillstand mit den Rebellen gilt und gelten wird", versicherte er in Colombo. Die Präsidentin habe "absolut keine Absicht, die Feindseligkeiten wieder aufzunehmen." Kumaratunga hatte bereits am späten Dienstagabend in einem Fernsehinterview erklärt, sie sei zu Gesprächen mit den Rebellen bereit, um "eine transparente und gerechte Lösung des ethnischen Konflikts" zu finden.
In der Hauptstadt Colombo war die Lage am Mittwoch ruhig. Soldaten bewachten wichtige öffentliche Gebäude, darunter die staatliche Rundfunkstation. Im 300 Kilometer nördlich gelegenen Jaffna hingegen deckten sich die Bewohner aus Angst vor Unruhen mit Lebensmittel- und Benzinvorräten ein. Viele Eltern schickten ihre Kinder nicht zu Schule. Jaffna war im Bürgerkrieg Schauplatz blutiger Kämpfe. Die Stadt befindet sich zwar unter Kontrolle der Regierung, weite Teile des Nordwestens von Sri Lanka sind aber in der Hand der Rebellen.