Premierministerin May beantragt Aufschub des Brexit um drei Monate. Doch die EU-Partner stellen Bedingungen.
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Brüssel/London/Wien. Geplant war es anders. Zwar müssten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bereits daran gewöhnt sein, dass das Gezerre um den EU-Austritt Großbritanniens so manches Gipfeltreffen überschattet. Doch bei der Zusammenkunft im März hätte es anders sein können. Theoretisch hätte der Brexit durch ein Trennungsabkommen bereits jetzt geregelt sein sollen - und Ende des Monats erfolgen.
Aber wenn die Spitzenpolitiker am heutigen Donnerstag in Brüssel zu ihrem regulären Frühlingsgipfel eintreffen, ist das nicht der Fall. Den von Ministerpräsidentin Theresa May ausgehandelten Vertrag hat das Parlament in London nicht angenommen; eine Verschiebung des Brexit steht im Raum. Die Details waren freilich ungewiss: Wie lange darf der Aufschub sein, was sollte in der Zwischenzeit passieren, welche Zugeständnisse und Versicherungen von beiden Seiten sind möglich? Bei all den offenen Fragen schien es nicht ausgeschlossen, dass eine endgültige Entscheidung erneut aufgeschoben würde.
In einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk, der den Gipfel leitet, suchte May um eine Verschiebung des Brexit an. Drei Monate mehr Zeit möchte sie haben. Die verbleibenden EU-Staaten müssten dem zustimmen.
EU-Kommission sträubt sich
Sie scheinen auch bereit dazu zu sein - aber nicht bedingungslos. Eine Selbstverständlichkeit sei dies jedenfalls nicht, hieß es am Mittwoch aus französischen Regierungskreisen. Zum einen müsse London einen Plan vorlegen und aufzeigen, wie die gewonnene Zeit genutzt werden solle. Zum anderen dürfe das Funktionieren der Europäischen Union nicht gefährdet werden.
Davor warnt auch die EU-Kommission. Aus einem Dokument der Behörde geht hervor, dass eine Verzögerung bis 30. Juni, wie von May erbeten, "juristisch und politisch" schwierig wäre, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe laut einer Sprecherin der Behörde der Premierministerin auch davon abgeraten, ein Datum nach der Europawahl zu wählen.
Diese findet Ende Mai statt. Am 2. Juli konstituiert sich dann das neue EU-Parlament. Doch eine Entscheidung, ob Großbritannien an dem Urnengang teilnehmen muss, müsste früher fallen.
In dem Kommissionspapier ist daher von zwei Optionen die Rede. Entweder die Verlängerungsfrist läuft bis zum Beginn der EU-Wahl am 23. Mai oder bis zum Ende des Jahres. Im zweiten Fall müsste ein EU-Votum auf der Insel organisiert werden.
Diese Idee löst in London alles andere als Begeisterung aus. May betonte daher, dass sie keinen langen Aufschub möchte - und dass sie vorhabe, das Trennungsabkommen erneut zur Abstimmung vor das Parlament zu bringen. Zwei Mal wurde der Vertrag jedoch bereits abgelehnt. Die Premierministerin schloss daher auch am Mittwoch nicht aus, dass das Königreich ohne eine Vereinbarung aus der Union ausscheiden könnte. Ungelöst ist nach wie vor die irische Grenzfrage: Wie können künftig Kontrollen zwischen der Republik Irland und Nordirland vermieden werden?
Eine Neuverhandlung des Abkommens haben die 27 EU-Staaten bisher abgelehnt. Die Verschiebung des Brexit stellt sie aber auch auch vor Hürden.
Unmut in EU wächst
Während der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein schwedischer Amtskollege Stefan Löfven prinzipielle Zustimmung für eine Verlängerung der Austrittsfrist signalisierten, verwies der dänische Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen darauf, dass bei den EU-Partnern der Unmut über das Vorgehen der Briten wachse. Und nicht nur Frankreich fordert klare Aussagen von London, sondern ebenso Spanien.
Die Bedenken betreffen dabei nicht nur die EU-Wahl. Auch die kommenden Finanzverhandlungen über das EU-Budget könnten sich mühsam gestalten, wenn London mit am Tisch sitzt.
Doch zeigte sich auch Ratspräsident Tusk offen für eine Verschiebung. Diese sei möglich - wenn die britischen Abgeordneten sich für das Abkommen mit der EU aussprechen.
Die deutsche Regierung hat den Antrag der britischen Regierung ebenfalls grundsätzlich begrüßt. Doch auch sie hätte gern mehr Klarheit. "Wir wüssten schon gerne, wo das hinführt", zitierte Reuters Außenminister Heiko Maas. Am Tag vor dem EU-Gipfel und neun Tage vor dem ursprünglichen Brexit-Datum war das noch völlig offen.