Chinas Exportzölle gefährden Rohstoffversorgung in der EU. | Experten sehen kaum Chancen für Europas Kampf gegen unfairen Wettbewerb. | Wien. Europa droht im Wettlauf um die globalen Rohstoffvorräte ins Hintertreffen zu geraten: China sichert sich in Afrika und Australien Ressourcen und beschränkt den Zugang zu seinen Rohstoffmärkten immer stärker. Die Industrie warnt daher, dass Werkmaterial angesichts des steigenden Bedarfes knapp wird - was langfristig der europäischen Wirtschaft schaden könnte.
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Europa hängt bei Rohstoffen stark von Importen ab: Abgesehen von Baurohstoffen werden in der EU 70 bis 90 Prozent aller Werkstoffe importiert. Zur Gänze eingeführt werden etwa viele Metallerze und seltene Erden, die fast ausschließlich aus China kommen. Seltene Erden fließen in Hightechprodukte ein - etwa Gadolinium für Plasma-Fernseher oder Dysprosium und Neodym für Elektroautos. "Eine Nichtversorgung bei mineralischen Rohstoffen ist ähnlich schlimm wie bei Erdöl und Erdgas", warnt Roman Stiftner, Geschäftsführer des Fachverbandes Bergbau-Stahl der Wirtschaftskammer Österreich. Ohne Öl könne ein Auto nicht fahren, ohne mineralische Rohstoffe ein Auto gar nicht gebaut werden. Das Mineral Talk wird als Grundstoff für Kosmetika verwendet. Ein Handy besteht aus 40 verschiedenen Rohstoffen wie Lithium, Tantal, Kobalt und Antimon. Alle sind immer schwieriger zu bekommen.
Hilferuf an die Politik
Seit 2008 arbeitet die EU an einer gemeinsamen Rohstoffinitiative, die Versorgungsengpässen entgegenwirken soll. "Zu einer klaren, abgestimmten Rohstoffstrategie hat sich die Union jedoch nie durchgerungen", kritisiert Thomas Fahnemann, Chef des Feuerfestherstellers RHI.
Fortschritte erhofft man sich von der zweitägigen "European Minerals Conference" der spanischen EU-Präsidentschaft, die heute, Mittwoch, in Madrid startet. "Die Situation wird sich ohne Druck nicht entschärfen, jetzt muss die Politik handeln", sagt Fahnemann. Die Industrie fordert einen fairen Wettbewerb und appelliert an die Politik, die WTO einzuschalten oder unfaire Handelspraktiken in bilateralen Gesprächen zu beenden. Der Hintergrund: China sitzt auf großen Währungsreserven und sichert sich Schürfrechte in rohstoffreichen, verarmten Ländern. Im Gegenzug greift der weltweit größte Rohstoffproduzent den Ländern mit Krediten unter die Arme und verspricht, die Infrastruktur aufzubauen. Mehr als 35 afrikanische Staaten erhalten chinesisches Geld, vor allem Nigeria, Angola, Sudan und Äthiopien.
Ausbeutung Afrikas
Der Westen kritisiert dieses Vorgehen und wirft China vor, nur an der Ausbeutung von Rohstoffen interessiert zu sein und Regierungen zu unterstützen, die eine zweifelhafte Menschenrechtspolitik fahren. Der Industrie ein Dorn im Auge sind vor allem protektionistische Maßnahmen, mit denen China den Export beschränkt. Zölle für Rohstoffe wie Magnesit, Wolfram, Talk und seltene Erden machen 10 bis 70 Prozent des Rohstoffpreises aus. Während die Ausfuhr mit mehr als 370 Exportzöllen beschränkt wird, kommen lokale Firmen billiger an das Material und können so die Preise für die Endprodukte niedrig halten.
Eine solche Vorgehensweise wäre nicht mit den EU-Regeln konform, betonen Wirtschaftsexperten. Im Gegensatz zur Industrie sehen sie jedoch keine Versorgungsengpässe bei Rohstoffen: "Natürlich könnte es sein, dass Länder, die solche Ressourcen monopolisieren, die Preise nach oben treiben. Aber selbst wenn China die Rohstoffe kontrolliert - sie sind vorhanden. Schon wegen des Profitstrebens werden sie am Markt verkauft werden", betont Klaus Matthies, Rohstoffexperte beim Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut.
Große Chancen räumt er den EU-Staaten im Kampf gegen unfairen Handel nicht ein: China sei eine dominante Wirtschaftsmacht und habe US-Dollar im Überfluss. Auch die Betriebe, die laut Matthies auch selbst für ihre Rohstoffversorgung verantwortlich seien, hätten kaum Durchsetzungskraft. Wenn sich kleine heimische Firmen wie die Chinesen an Bergbaugesellschaften beteiligen, wäre dies ein zu hohes finanzielles Risiko. "Wer kann außerdem voraussehen, welche Rohstoffe durch den technologischen Wandel in Zukunft tatsächlich benötigt werden?"