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Verschlungene Wege ins Arbeitszimmer

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Der Herr Rat sitzt vormittags zu Gericht, scheidet Ehen, macht bei Familienfehden reinen Tisch und schickt schon mal einen Bankräuber in den Knast. Nachmittags und am Wochenende sitzt er in seinem Arbeitszimmer zu Hause, schreibt Fachaufsätze für die Zeitung und arbeitet an Vortragsmanuskripten: er ist auch ohne Richterrobe ein gesuchter Jurist. Herr Rat hat mit der Finanz einen Wickel. Sein Arbeitszimmer daheim wird steuerlich nicht anerkannt, obwohl es so typisch Büro ist, dass es selbst von der Hauskatze gemieden wird.


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Der Herr Rat ist eines der vielen Opfer, die an dem zu höchster Kasuistik hinaufjudizierten Begriff "Arbeitszimmer im Wohnungsverband" gescheitert sind. Angefangen hat es anno 1996, als budgetäre Sparmeister die steuerliche Absetzbarkeit von Heimbüros drastisch einschränkten. Unmengen von Rechtsmitteln an alle zuständigen Höchstgerichte folgten (und folgen noch immer).

Inzwischen hat sich die Rechtslage seit 1999 leicht geändert, als die Richter des Verwaltungsgerichts (wohl auch selbst Betroffene der unguten Rechtslage) die strengen legistischen Kautelen wie einen gordischen Knoten lösten.

Kriterien der Anerkennung

Seither gilt eine etwas gelockertere steuerliche Betrachtung des häuslichen Arbeitsraumes, dem vor allem als nebenberufliche Arbeitsstätte in der Praxis eine wichtige Rolle zukommt. Drei Voraussetzungen müssen für seine Anerkennung durch das Finanzamt gegeben sein:

1. Das Arbeitszimmer daheim muss ein innerhalb der Wohnung abgegrenzter Raum sein, womöglich auch baulich abgegrenzt, mit üblichem Büroambiente, also mit typischen Arbeitsmöbeln und typischer Einrichtung. Es darf nicht der Privatnutzung zugänglich sein, wenngleich - so das Höchstgericht - geringe Privatsachen (5%!) herumliegen dürfen.

2. Das Arbeitszimmer muss für die bestimmte Einkunftsart, für die es genutzt wird, überwiegend herangezogen werden, sozusagen den Arbeitsmittelpunkt für diese Einkunftsquelle darstellen.

3. Die berufliche Tätigkeit muss dort auch zeitlich überwiegend ausgeübt werden.

Fokus auf Einkunftsquelle

Bei der Würdigung des Heimbüros kommt es also - im Gegensatz zu früher - nicht auf die gesamte berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen an, sondern nur auf die eine dort ausgeübte Arbeit. Was bedeutet, dass die "Arbeitszimmer-Tätigkeit" für sich allein zu würdigen ist, ohne Mitberücksichtigung etwaiger anderer Einkunftsquellen.

Die oben genannten Kriterien sind freilich in der Praxis noch nicht ausreichend. Die steuerliche Anerkennung hängt näm-lich viertens auch noch von der spezifischen Art der Berufstätigkeit ab.

Schon im Motivenbericht zum Steuergesetz von 1996 wurden Richter, Lehrer, Vertreter oder Politiker von der steuerlichen Nutzung häuslicher Arbeitsräume radikal ausgeschlossen, weil man die Arbeitsplätze dieser Leute grundsätzlich außer Haus vermutet und die Notwendigkeit eines Heimbüros verneinte. Richter sollen im Gericht, Lehrer in der Schule, Vertreter im Außendienst und Politiker an den volksnahen Stammtischen ihr berufliches Auslangen finden. Diese fiskalische Auffassung hat sich bis heute nicht geändert.

Arbeitstypische Unterschiede

Aber auch bei anderen Berufstätigen, die - meist nebenberuflich - ein Zimmer daheim arbeitstypisch benutzen, spielt die Art der Berufsausübung eine entscheidende Rolle.

Bei Schriftstellern und Journalisten lässt man den häuslichen Arbeitsraum zu, wobei letztere aber dann ein Nachweisproblem haben, wenn sie hauptberuflich in der Redaktion eines Mediums integriert sind. Da kommt es auf die genaue Abgrenzung der Arbeitsbereiche und auf die Rechtfertigung des Arbeitszimmers an. Auch für Maler, Komponisten oder Bildhauer, die ihre schöpferische Arbeit zuhause weiterleben (und dafür einen zusätzlichen Atelierraum benutzen) gibt es steuerliche Anerkennung.

Pech haben Schauspieler, Opernsänger oder Orchestermitglieder, die zu Hause Rollenstudium betreiben, Koloraturen proben oder Geige üben. Üben ist Privatsache, befand das Höchstgericht, und für Privat gibt's kein steuerliches Heimstudio.

Absetzposten für Teleworker

Teleworker, also Leute, die etwa am häuslichen Computer Daten erfassen, Buchhaltung machen oder Rechenoperationen für "ihre" Dienstgeberfirma durchführen (und am Firmensitz keinen eigenen Arbeitsplatz haben), haben normalerweise keine Schwierigkeiten, die (anteiligen) Heim-büro-Kosten als Werbungskosten durchzusetzen. Hier liegt ein Fall vor, dass auch Nur-Nichtselbständige wegen der Eigenart ihrer Tätigkeit den häuslichen Arbeitsplatz steuerlich geltend machen können.

Vortragende tragen vor und das tun sie meistens vor Auditorium außerhalb von zuhause. Das Erstellen der Redevorlage ist ebenso wenig "überwiegende" Hausarbeit wie etwa das bloße Korrigieren von Manuskripten. Kein Arbeitszimmer.

Chancenlose Vermögensverwalter

Rechtsberater (Anwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder) haben ihre Kanzlei, brauchen kein zusätzliches Arbeitszimmer daheim, heißt es. Obgleich es einmal einem Steuerberater gelang, sein häusliches Zweitbüro mit gefinkelten Argumenten beim Höchstgericht dennoch durchzusetzen. Ein Könner.

Ganz schlimm hat es die Vermögensverwalter getroffen, zu denen auch die Immobilien-Vermieter gehören. Die Judikatur hat ihnen das Merkmal der "beruflichen Tätigkeit" abgesprochen, wodurch ihnen schon ex lege die Möglichkeit eines häuslichen Arbeitsraumes steuerlich entzogen ist.

Trennung vom Wohnungsverband

Und der Herr Rat vom Bezirksgericht? Sein Steuerprüfer rechnete ihm 60% Richterarbeit, 20% Schriftstellerei und 20% Vortragsarbeit vor. Nur das Artikelschreiben würde ein häusliches Arbeitszimmer rechtfertigen, aber dafür ist der bezügliche Arbeitsumfang eben "zu untergeordnet". Kein Arbeitszimmer.

Könnte ihm die Nebenwohnung, die soeben freigeworden und zu mieten ist, einen Ausweg bieten? Für Arbeitsräume, die außerhalb des eigenen Wohnungsverbandes liegen, gelten die strengen steuerlichen Arbeitszimmer-Regeln nicht. Wenn die freiberufliche Arbeit den Aufwand wirtschaftlich rechtfertigt, wäre es ein Ausweg.