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Innenpolitische Gourmets hätten eine Freude an neuartigen Proporzspielereien. Aber die Wirtschaft braucht keine eigene Partei, die sich um sie kümmert.
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Es hat ja noch niemand behauptet, dass die heutige Regierung irgendwie theorielastig sei, also mit Wirtschaftsnobelpreisträgern und den Spitzen der internationalen Think Tanks an der Seite die ökonomische Zukunft Österreichs konstruiere. Für so einen Verdacht wäre eher noch die ÖVP-FPÖ-Regierung I unter Wolfgang Schüssel in Frage gekommen, aber auch dieses System ist binnen weniger Jahre nach dem Start 2000 hart auf dem österreichischen Unterbau gelandet.
Eine Pensionsreform brachte sie beispielsweise trotz schmähender Zurufe zustande, aber deren Ergebnis wird bis heute und für weitere Jahre durch die Hacklerregelung und ähnliche "soziale Kompensa tionen" ad absurdum geführt.
Also wird neuerdings über die Gründung einer "Wirtschaftspartei" diskutiert, die sich ernsthafter um Staatsreform, Haushaltspolitik, ÖBB-Sanierung und Ähnliches kümmern sollte. Das klingt gut, doch zeigt sich darin vor allem das Missvergnügen an den Zuständen, aber noch kein Programm. Bei den arabischen Revolutionen ist es ähnlich. Die Frage "Und was dann?" harrt fast überall der Beantwortung und macht Sorgen.
Bis Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hat sich die Freiheitliche Partei als Wirtschaftspartei verstanden, aber nie verbergen können, dass im freiheitlichen Lager auch ein gesellschaftsliberaler Flügel und fataler Weise auch der Spuk national-sozialistischer Traditionen eine Rolle spielte - bis
heute.
Jörg Haider verstand es ab 1986, alle Richtungen in der demagogischen Potenz seiner Person zu vereinigen und je nach Belieben zu vermischen. Vom einstigen FP-Wirtschaftsflügel ist so wenig geblieben wie übrigens auch bei der deutschen FDP. Deren Vorsitzender Guido Westerwelle war bis zu seinem Sturz der bisher Letzte, der erfolgreich an der Zerstörung ihrer Glaubwürdigkeit gearbeitet hat.
1994 schien mit dem Liberalen Forum, das sich personell aus Abtrünnigen der Freiheitlichen Partei wie Friedhelm Frischenschlager speiste und einige prominente Industrielle wie Hans-Peter Haselsteiner an sich band, die ökonomische Lücke gefüllt. Das erste Nationalratswahlergebnis von sechs Prozent Stimmenanteil ließ sich wunderschön in eine glorreiche Zukunft hochrechnen, aber die LIF-Chefin Heide Schmidt sackte mit ihrer akzentuierten Minderheitenpolitik binnen weniger Jahre ab. Also wieder nichts.
Und dann? Ein glamouröser Versuchsballon namens Karl-Heinz Grasser stieg unter Bundeskanzler Schüssel zum Himmel. Grasser entspross zwar dem FPÖ-Lager, wurde innerhalb der schwarz-blauen Koalition aber zu so etwas wie einer personifizierten Wirtschaftspartei mit Nulldefizit-Sticker am Revers: Er ließ sich von der Industriellenvereinigung seine Homepage "New Economy" finanzieren, also ein Programm für ein von der Unternehmenssubstanz losgelöste Wirtschaftsphilosophie, die innerhalb kurzer Zeit die Weltwirtschaft in den Strudel riss.
Der Optimismus, dass heute eine neue Wirtschaftspartei Positives bringen könnte, ist aus der Luft gegriffen. Wer am Boden bleibt, wird sehr bescheiden hoffen, dass die in Aktion befindlichen Parteien und Politiker zu Verstand kommen und sich wenigstens ehrlich bemühen.
Man muss das ja nicht gleich so drastisch ausdrücken wie der "Erste"-Chef Andreas Treichl.
Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse und Salzburger Nachrichten.