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Verschossene Botschaften

Von Christina Böck

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"The clock is ticking" - also "die Uhr tickt" - hätte man ja noch auf die Wartezeit aufs neue Jahr beziehen können. Der Song geht aber so weiter: "All I want is stay". Da horcht man doch auf, wenn es sich um den Soundtrack nicht irgendeines Silvesterfeuerwerks handelt. Sondern um die Musikuntermalung der Raketenorgie von London. Bekanntlich die Hauptstadt jener Nation, die sich gegen ein "Stay", also gegen ein Bleiben entschieden hat und heuer den "Brexit" aus der EU vollziehen wird.

Subtiler Kommentar der Veranstalter? Mitnichten. Denn Londons Bürgermeister Sadiq Khan, der verzweifelt dagegen ankämpft, dass seiner Stadt ein isolationistisches Image umgehängt wird, ließ sich bei dem 2,5 Millionen Euro schweren Knallspektakel nicht lumpen, was die Botschaft anging. Die Musik wurde einmal unterbrochen, um in verschiedenen Sprachen den Satz "London ist eine offene Stadt" zu verkünden. Und wer ganz genau schaute, konnte auch sehen, dass das Riesenrad London Eye, das im Mittelpunkt des Feuerwerks steht, von den britischen Nationalfarben kurz in eine andere Farbwelt wechselte: Es wurde blau und seine Gondeln gelb - eine ziemlich deutliche Anspielung auf die EU-Flagge. Die Empörung über den "politischen Missbrauch" der Pyrotechnik ließ nicht lange auf sich warten.

Dabei müssten doch zumindest jene, die sich immer über die "sinnlose Knallerei" beschweren, mit einem Feuerwerk mit Anregung zum Nachdenken und Diskutieren besänftigt werden.