Österreich ist mit 227 Milliarden Euro verschuldet, 75 Prozent der Gläubiger sitzen im Ausland.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Die Familie sitzt zu Ostern beim Essen und irgendwann kommt das Gespräch auf die öffentlichen Schulden. "Ein Wahnsinn", raunzen die Erwachsenen, "es wird immer mehr und mehr." Jeder wüsste natürlich, wie es ohne ginge, wo man sparen und optimieren könnte. Bis plötzlich eines der Kinder die nur vermeintlich naive Frage aufwirft: "Bei wem hat denn Österreich eigentlich die Schulden?" - Betretenes Schweigen bei den Erwachsenen. Die "Wiener Zeitung" nimmt diese so oder so ähnlich passierte Anekdote zum Anlass, sich die Gläubiger Österreichs einmal genauer anzusehen.
227,431 Milliarden Euro betrugen die Staatsschulden Österreichs am Ende des vergangenen Jahres. Das entspricht 73,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts - 1,2 Prozentpunkte besser als geplant, aber immer noch eine ganze Menge. 200 Millionen mehr als 1980, rund 30.000 Euro pro Kopf. Aber bei wem hat Österreich eigentlich diese Schulden?
Geht man von der gesamtstaatlichen Verschuldung aus, also den Schulden von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungsträgern, entfielen im Jahr 2011 (für 2012 liegen die Zahlen noch nicht vor) laut Nationalbank 74,8 der Schulden auf das Ausland, 25,2 Prozent auf das Inland. Bis zum Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise hatte sich die Auslandsverschuldung laufend erhöht. Lag der Auslandsanteil 1999 noch bei 48 Prozent, waren es 2008 schon 80 Prozent. Seither nimmt allerdings die Inlandsverschuldung wieder zu.
Ein wesentlicher Grund dafür ist laut dem Jahresbericht des Staatsschuldenausschusses die "gestiegenen Darlehensgewährungen inländischer Banken an Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen". Dadurch hält der österreichische Bankensektor mittlerweile rund 14 Prozent der Staatsschulden. 2008 waren es nur 9 Prozent.
Unter den inländischen Gläubigern der Republik sind die Banken aufgrund der gestiegenen Kreditvergabe dominierend. 54 Prozent der Inlandsschulden entfallen auf den Bankensektor. Jeweils rund 13 Prozent entfallen auf heimische Investmentfonds oder sonstige Finanzinstitute wie Versicherungen, Pensionskassen oder die Nationalbank). Damit hält der österreichische Finanzsektor 80 Prozent der Inlandsschulden beziehungsweise 20 Prozent der Gesamtschulden.
Private Unternehmungen halten 17,1 Prozent der Inlandsschulden. Das beinhaltet vor allem Finanzierungsverpflichtungen des Bundes, die sich aus Infrastrukturinvestitionen der ÖBB ergeben, oder der Länder für die Finanzierung von öffentlichen Krankenanstalten.
Privater Sektor spielt eine untergeordnete Rolle
2,4 Prozent kommen auf private Haushalte. Als Privater kann man über seine Bank Staatsanleihen zeichnen oder online sogenannte Bundesschätze (www.bundesschatz.at). Insgesamt halten Private staatliche Papiere im Wert von rund 1,4 Milliarden Euro - und spielen damit für die Finanzierung des Staates eine relativ untergeordnete Rolle.
Der inländische Sektor ist vor allem für Länder und Gemeinden wichtig. Das liegt vor allem daran, dass bei diesen handelbare Schuldformen an der Gesamtverschuldung nicht so ausgeprägt sind. Nur etwa 10 Prozent entfallen auf sogenannte titrierte Schuldformen. Beim Bund hingegen machen vor allem Anleihen, aber auch Obligationen und Bundesschatzscheine immerhin rund 90 Prozent der Schulden aus.
Um die Liquidität des Staates zu sichern, finden monatlich Anleiheauktionen statt. Dabei spielt jedoch der österreichische Markt an sich eine untergeordnete Rolle. Als Binnenmarkt, erklärt Martha Oberndorfer von der Bundesfinanzierungsagentur (Oebfa), gilt die Eurozone (inklusive Österreich), auf die 80 Prozent der Bundesschulden entfallen. Das hat den Vorteil, dass hier das Währungsrisiko entfällt. Ganz Europa macht insgesamt 88 Prozent der Schulden aus, Asien sieben, Amerika und Afrika je zwei und Nahost ein Prozent.
Laut devisenstatistischem Meldesystem der Nationalbank sind die Gläubiger der Finanzschuld des Bundes zu rund 80 Prozent ausländische Investoren. Für Bernhard Felderer, Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses, "ein ungewöhnlich hoher Anteil". Den erklärt Felderer mit der hohen Nachfrage nach Anleihen mit gutem Rating - und die österreichischen Staatspapiere genießen (trotz der Abstufung durch Standard & Poor’s von AAA auf AA+ im Jänner 2012) eine ausgezeichnete Bonität. Dadurch sind die Anleihen vor allem für Versicherungen und Pensionsfonds interessant, die in sehr sicheren Wertpapieren veranlagen müssen oder Fonds, die mit besonders sicheren Anlagen Kunden locken.
Hohe Inlandsschulden weniger problematisch
Der Vorteil eines guten Ratings (und damit eines geringen Ausfallrisikos): Österreich zahlt niedrige Zinsen. Allerdings ist dadurch die inländische Nachfrage bei Anlegern eher gering (wenn auch krisenbedingt seit 2008 leicht gestiegen). "Warum sollte man in österreichische Anleihen mit zwei Prozent Rendite gehen, wenn man italienische mit fünf Prozent haben kann?", fragt Felderer.
Banken halten laut Oebfa-Schätzungen rund 32 Prozent der österreichischen Anleihen, Fonds rund 30 Prozent, Versicherungen und Pensionsfonds weitere 20 Prozent. Weil es sich laut Oebfa-Sprecherin Martha Oberndorfer bei den Anleihen um Inhaberpapiere handelt, die jederzeit den Besitzer wechseln können, lässt sich nie ganz genau sagen, wer die Papiere hält.
Aber spielt es überhaupt eine Rolle, bei wem Österreich verschuldet ist? Es kann durchaus eine Rolle spielen. Japan zum Beispiel hat eine Staatsverschuldung von mehr als 230 Prozent des BIP. "In Österreich würden da längst griechische Verhältnisse herrschen", sagt Felderer. Der Staat könnte also Geld nur noch zu horrenden Zinsen aufnehmen. Japan bekommt hingegen weiterhin relativ günstig Geld, weil die Schulden zu mehr als 90 Prozent im Land selber gehalten werden.