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Wenn ein kleiner Staat von nur 660.000 Einwohnern ein neues Parlament wählt, ist das keine Sensation und die Weltöffentlichkeit schenkt dem kaum Beachtung.
Bei den Parlamentswahlen am 22. April in Montenegro (halb so viele Einwohner wie Oberösterreich) sollte sie aber hinschauen. Denn ihr Ergebnis kann für den Balkan, und letztlich auch für Europa, politisch nicht unbeträchtliche Folgen haben.
Möglicherweise wird von ihm abhängen, ob es weiterhin eine "Bundesrepublik Jugoslawien", bestehend aus Serbien und Montenegro geben oder ob der Name "Jugoslawien" nach 72 Jahren endgültig von der Landkarte verschwinden wird.
Volksabstimmung
Siegt nämlich die derzeitige Regierungskoalition in Podgorica mit Staatspräsident Milo Djukanovic an der Spitze - sie wirbt unter dem Slogan "Wir bauen unser Haus an der Sonne" - dann wird es noch in diesem Frühjahr zu einer Volksabstimmung kommen, ob die kleine "Republik der Schwarzen Berge" zusammen mit Serbien in der Bundesrepublik Jugoslawien bleiben oder sich für unabhängig erklären soll. Um dann vielleicht mit Serbien eine neue Union zu bilden. Aber wohl kaum unter der Bezeichnung "Jugoslawien".
Die Opposition lehnt die Selbständigkeit ab
Siegt die Opposition um die "Sozialistische Nationalpartei Montenegros", geführt von Predrag Bulatovic (nicht verwandt mit dem früheren Präsidenten Montenegros und treuem Gefolgsmann Slobodan Milosevics) - sie agitiert mit der Parole "Montenegro muss siegen" - dann wird sich eine Volksabstimmung über die Zukunft des Landes erübrigen.
Denn sie lehnt eine Selbstständigkeit Montenegros ab und will in einem staatlichen Verband mit Serbien bleiben. Auch wenn die Beziehungen der beiden Republiken neu geregelt werden und das gemeinsame Gebilde einen neuen Namen bekommt.
Es ist also gar nicht sicher, ob die Welt künftig noch mit einer Bezeichnung "Jugoslawien" zu tun haben wird.
Die "Bundesrepublik Jugoslawien" als Rumpf-Jugoslawien, war sowieso ein künstliches Gebilde, das weder mit einer Bundesrepublik noch mit der jugoslawischen Idee etwas zu tun hatte. Es war eine Schöpfung Slobodan Milosevics zur Sicherung seiner Macht. Und es war praktisch schon tot, als er noch an der Macht war.
Vojislav Kostunica, der neue demokratisch gewählte Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien, hält seinerseits auch nicht viel von einem "Jugoslawien". Er sagte vor einiger Zeit, er glaube, dass die jugoslawische Idee und Ideologie "überholt" seien. Djukanovic ist da der gleichen Meinung.
Es könnte allerdings sein, dass die Serben und letztlich auch Kostunica, falls sich Montenegro nicht abspaltet, an der Bezeichnung "Jugoslawien" festhalten wollen. Und zwar aus Erwägungen balkanischer Machtpolitik und wegen der internationalen Stellung Belgrads.
Kostunica und die Serben haben nämlich gesehen, dass der Westen und die internationalen Gemeinschaften Druck auf Djukanovic ausüben, Montenegro nicht für unabhängig zu erklären. Auch ist die "Bundesrepublik Jugoslawien" nach dem Sturz Milosevics nun einmal in die internationalen Gremien aufgenommen worden, von den Vereinten Nationen bis zur OSZE. Und noch entscheidender: Kostunica hat offenbar die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den Kosovo mit seiner albanischen Mehrheit wieder an ein jugoslawisches Staatsgebilde, wenn schon nicht an Serbien, heranzuführen. Auf der Basis der berühmten Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates, in der es ja heißt, dass der Kosovo ein Teil der "Bundesrepublik Jugoslawien" ist. Darin ist er offensichtlich auch von den Russen bestärkt worden.
Albaner-Frage
Aber sollte Djukanovic siegen und sollten sich die Montenegriner in einer folgenden Volksabstimmung für ein unabhängiges Montenegro erklären dann wird es nicht nur für Kostunica sondern auch für die internationalen Gemeinschaften einige Probleme geben. Denn dann wird eine "Bundesrepublik Jugoslawien" nicht mehr existieren und man wird den Kosovo auch nicht mehr als einen Teil eines solchen Staates behandeln können, so wie es die Resolution 1244 vorsieht. Damit wird sich die albanische Frage völlig neu stellen.
Sind die EU, die UNO, die Nato, die USA, die OSZE darauf vorbereitet? Es sieht bedauerlicherweise nicht so aus.