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Verseuchter gelber Kuchen

Von Klaus Huhold

Politik

Niger besitzt viel Uran und ist trotzdem bitterarm. Die Regierung verlangt nun vom französischen Großkonzern Areva fairere Verträge.


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Niamey/Wien. Der französische Energiekonzern Areva hat in Niger offenbar keinen guten Ruf. Viele Leute in seinem Land hegten eine große Abneigung gegen Areva, "sie sind von dem Konzern desillusioniert", berichtet der Ökonom Ali Idrissa der "Wiener Zeitung". Das Unternehmen, das sich großteils in staatlichen Händen befindet, baut in dem afrikanischen Land im großen Stil Uran ab, schließlich deckt Frankreich rund 80 Prozent seines Energiebedarfs durch Atomstrom. Niger wurde dadurch weltweit der viertgrößte Uran-Exporteur. Aber die Zivilgesellschaft klagt, dass das Land selbst nichts von dem Abbau habe. Areva habe die Ressourcen genommen "und wir haben nicht einmal genug, um uns selbst zu ernähren", sagt Idrissa, Leiter der nigrischen Abteilung des internationalen Netzwerkes "Publish What You Pay", das für mehr Transparenz sorgen will. Idrissa besucht auf Einladung des "Wiener Instituts für internationalen Dialog und Kooperation" (vidc) Österreich.

Tatsächlich: Trotz seiner Uran-Vorkommen ist Niger eines der ärmsten Länder der Welt. Der westafrikanische Wüstenstaat wird immer wieder von Hungersnöten heimgesucht und lag im 2012 veröffentlichten Entwicklungsindex der UNO gemeinsam mit dem Kongo auf Platz 186 und damit an letzter Stelle.

Harte Verhandlungen

Doch nun will Niger mehr von seinem Uranreichtum profitieren. Die Regierung verhandelt gerade mit Areva über neue Abbaulizenzen. Offenbar sind es zähe Gespräche: Denn der alte Vertrag mit Areva ist Ende 2013 ausgelaufen, und noch wurde kein neuer unterschrieben. Der französische Konzern wollte sich auf Anfrage der "Wiener Zeitung" nicht zu laufenden Verhandlungen äußern, aber laut verschiedenen Medienberichten geht es vor allem um Steuern und Lizenzgebühren.

So zahlt Areva bisher laut vertraulichen Dokumenten, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegen, etwa keine Export- und Körperschaftssteuern und eine Lizenzgebühr von lediglich 5,5 Prozent für das abgebaute Uranium. Der Präsident des Niger, Mahamadou Issoufou, der früher selbst für Areva gearbeitet hat, spricht von postkolonialen Zuständen und möchte die Lizenzgebühr auf bis zu 12 Prozent erhöhen, wogegen sich Areva angeblich wehrt. Die Verhandlungen sind in Niger derzeit Top-Thema in den Medien und sorgen in der Hauptstadt Niamey immer wieder für Demonstrationen. Bei diesen wird die Regierung dazu aufgerufen, Areva nicht nachzugeben.

"Wir wollen nicht betteln, sondern einfach nur Gerechtigkeit", betont Idrissa. Jeder andere in- und ausländische Minenbetreiber müsse eine Lizenzgebühr von bis zu 12 Prozent zahlen, warum also nicht auch Areva? Niger brauche keine Geschenke, aber Geld, um sich zu entwickeln.

Allerdings gibt es immer wieder auch Vorwürfe an die Regierung, dass sie die eingenommen Gelder nicht effizient nütze, dass diese teilweise versickern. So hat sich Areva vertraglich dazu verpflichtet, jährlich ein Prozent seiner Einnahmen an den Staat abzugeben. Trotzdem kommen Infrastrukturprojekte nicht voran.

Areva verweist darauf, dass man der größte Arbeitgeber im Niger sei und auch in die soziale Entwicklung des Landes investiere. Der Konzern habe etwa zwei Spitäler und eine Straße im Norden des Landes (wo auch das Uran abgebaut wird) errichtet sowie Gelder für Schulen hergegeben, berichtet eine Pressesprecherin von Areva.

Der Aktivist Idrissa reagiert nur mit einem wütenden Kopfschütteln, wenn er auf die sozialen Taten von Areva angesprochen wird, und zeichnet ein ganz anderes Bild. Die Straßen in der Region befänden sich in einem desaströsen Zustand. Er berichtet, dass es den von Areva geförderten Ärzten in der Uranförderregion am Nötigsten fehle, nicht einmal Röntgenbilder könnten gemacht werden, und es komme oft zu Fehldiagnosen. "Kranke werden nach Hause geschickt, um dort zu sterben." Dabei seien die Bewohner der Region großen Gesundheitsschäden ausgesetzt. Wasser und Luft seien verseucht, weshalb es etwa häufig zu Früh- oder Fehlgeburten komme.

Dass der gelbe Kuchen - so wird das aus Uranerzen gewonnene, pulverförmige Gemisch genannt - verseucht ist, haben auch Umweltorganisationen festgestellt. Greenpeace hatte 2010 festgehalten, dass bei vier von fünf Wasserproben der Strahlenwert ordentlich über der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Höchstdosis lag. Während in anderen Ländern radioaktiver Schutt und Chemikalien in Stollen gelagert werden, hat sich in Niger unter freiem Himmel ein Berg aus etwa 35 Millionen Tonnen dieses Materials gebildet. Der Kommentar von Areva? Der Konzern würde alles unternehmen, um die Auswirkungen auf die Umwelt gering zu halten. Man würde sich in Niger an internationale Umweltstandards halten.