Die türkis-grüne Koalition wollte mit Klarstellungen zu neuen Epidemieregeln die Opposition besänftigen. SPÖ und FPÖ blockieren Bundesratssondersitzung und verhindern Start Anfang Mai.
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Sigrid Maurer ist eine emotionale Frau. Vor Jahren musste sie als Chefin der Studentenvertretung die Besuchergalerie des Hohen Hauses nach dem Werfen von Flugzetteln verlassen. Am Dienstag kochte die Klubobfrau der Grünen in der Nationalratssitzung regelrecht, weil die SPÖ trotz Zugeständnissen insbesondere die Änderungen im Epidemiegesetz in den Ausschuss zurückverweisen wollte. Mit der FPÖ schaffen es die Sozialdemokraten - sehr zum Ärger von ÖVP und Grünen -, zumindest das Durchboxen der Corona-Gesetze im Eilzugstempo zu blockieren. Rot und Blau verweigern eine Sondersitzung des Bundesrats am Donnerstag und damit das Inkrafttreten der neuen Gesetze schon ab Anfang Mai.
Die Änderungen im Epidemiegesetz trugen stark zu dem atmosphärisch verseuchten Klima zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien im Parlament bei. Vor allem die SPÖ war schon in den vergangenen Tagen Sturm gelaufen, weil sie befürchtete, mit den von der türkis-grünen Regierung vorgesehenen Neuregelungen werde es auch möglich sein, künftig Senioren als Sicherheitsrisiko von bestimmten Veranstaltungen auszusperren.
Geisterspiele möglich
ÖVP und Grüne versuchten, mit Präzisierungen diese Ängste der SPÖ zu verscheuchen. Demnach wird die Corona-App, mit der Menschen via Handy über einen etwaigen Kontakt mit einer infizierten Person informiert werden, nicht Bedingung für die Teilnahme an Veranstaltungen oder Demonstrationen sein, wie auf SPÖ-Seite zuletzt vermutet worden ist. Auch die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe, zu denen Pensionisten grundsätzlich zählen, wird kein Ausschlussgrund von Veranstaltungen sein.
Bisher sind größere Veranstaltungen untersagt, um die Corona-Krise zu bewältigen. Mit der Gesetzesänderung wird nun erlaubt, dass Veranstaltungen mit Menschenansammlungen an bestimmte Bedingungen geknüpft werden oder auf bestimmte Personen- oder Berufsgruppen eingeschränkt werden. Die Regierungsparteien argumentieren dies damit, dass künftig etwa "Geisterspiele" in Stadien ohne Zuschauer erfolgen können, weil es das geänderte Epidemiegesetz künftig erlaubt, diese Veranstaltung auf Profisportler und eine überschaubare Zahl an Begleitpersonen und Mitarbeiter zu beschränken. Als Grundvoraussetzungen für das Durchführen solcher Veranstaltungen werden Abstandsregeln, das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken, die Beschränkung der Teilnehmerzahl und das Vorhandensein von Sanitäranlagen und Desinfektionsmitteln angeführt. Ausdrücklich ausgenommen werden als Voraussetzungen die Verwendung von Tracing-Technologien wie der Corona-App, um Infektionswege nachzuvollziehen, oder Kriterien wie Corona-Risikogruppen, Geschlecht, Alter, Religion, Weltanschauung, ethnische Zugehörigkeit und sexuelle Orientierung.
Verzögerte Verbesserungen
SPÖ-Klubvizechef Jörg Leichtfried zeigte sich wenig beeindruckt. Er hielt am Nein zu einem Durchpeitschen des Epidemiegesetzes fest. Um ein "Husch-Pfusch-Gesetz", so die SPÖ zu verhindern, drängten die SPÖ-Parlamentarier auf ein Rückweisen des Antrags in den Ausschuss und ein Begutachtungsverfahren. Selbiges hat sich die türkis-grüne Koalition bisher bei Corona-Gesetzen mit Hinweis auf das notwendige Tempo und die Ausnahmesituation erspart. Offen ließ die SPÖ, ob sie nicht nur die Sondersitzung im Bundesrat blockieren wird, sondern die Novelle mit einem Veto im Bundesrat weiter auf die lange Bank schieben wird. Die Drohung steht so im Hohen Haus. Die nächste reguläre Bundesratssitzung ist für 7. Mai vorgesehen.
Das sorgte bei Maurer und ÖVP-Klubobmann August Wöginger für ein gemeinsames fassungs- und verständnisloses Kopfschütteln. Sie verwiesen darauf, dass damit auch Screening-Programme zur genaueren Analyse der Corona-Erkrankungen vorerst verhindert würden. Genau diese habe auch SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner vor kurzem mit der Aufforderung "testen, testen, testen" verlangt. Mit Screening-Programmen soll die nötige Datenbasis für die Überprüfung der jeweils geltenden Corona-Maßnahmen geliefert werden.