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Versicherer schreien laut auf

Von Karl Leban

Wirtschaft

Branche will ein "milderes Menü". | Auch Sturmlauf gegen Einbeziehung in die Bankensteuer. | Wien. Der erste Menüplan zu Solvency II, dem neuen EU-Regelwerk für die Kapitalausstattung der Versicherer, stößt Österreichs Assekuranzen sauer auf. "So wie derzeit angedacht, hätte die Branche einen zusätzlichen Eigenmittelbedarf von rund elf Milliarden Euro", rechnet Günter Geyer, Präsident des Versicherungsverbands und Chef der Vienna Insurance Group (Wiener Städtische), vor. "Das ist völlig überzogen." In ganz Europa wären es mehrere hundert Milliarden Euro.


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Nicht nur, dass der Kapitalmarkt damit überfordert wäre, warnt Geyer. Derart hohe Summen hätten auch gravierende volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die gesamte Branche würde als Investor zum großen Teil ausfallen. Sollten die neuen Regeln so kommen, wie derzeit diskutiert, müssten Aktien - von der Voestalpine zum Beispiel - mit achtmal mehr Kapital unterlegt werden als Staatsanleihen. Geyer: "Das ist nicht tragbar." Investitionen der Versicherungsbranche in den Wohnbau würden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen.

Beim Regulator und der Politik mahnt Geyer daher ein, nicht willkürlich mehr Eigenmittel vorzuschreiben, sondern die für 2012 geplante Neuregelung so auszurichten, dass Eigenkapital risikogerechter verteilt ist. Ein "milderer Speisezettel mit vernünftigen Übergangsfristen" würde in der heimischen Versicherungsbranche wohl nur einen zusätzlichen Kapitalbedarf von einer bis drei Milliarden Euro auslösen. "Aber das wäre zu bewältigen", sagt Geyer.

"Lehnen das dezidiert ab"

Sturm laufen die Versicherer gerade gegen Pläne der Regierung, bei der Bankensteuer neben Finanzinstituten und Fondsgesellschaften auch sie zur Kasse zu bitten, um die angestrebten 500 Millionen Euro aufzubringen. "Wir lehnen es dezidiert ab, dass wir da einbezogen werden sollen", betont Verbandsgeneralsekretär Louis Norman-Audenhove. Die Krise sei keine Krise der Versicherer. Damit würde man alle Versicherungsnehmer "zusätzlich bestrafen", so Geyer am Mittwoch vor Journalisten. Gerade in der Lebensversicherung gehöre das Geld zu mehr als 80 Prozent den Kunden. An Abgaben an den Staat würden von der Branche (respektive den Kunden) schon jetzt Jahr für Jahr 2,5 Milliarden Euro abgeführt.

Stolze Beträge haben die Assekuranzen im vergangenen Jahr auch für Schäden durch extreme Wetterereignisse wie Hagel, Sturm und Starkregen lockermachen müssen. "500 Millionen waren es, ein kleines Konjunkturpaket für die Wirtschaft", so Norman-Audenhove. Wobei allein eine einzige Nacht (vom 23. auf 24. Juli) Schäden von 360 Millionen Euro bescherte. "Das war die bisher teuerste Nacht, die es in der österreichischen Versicherungswirtschaft gegeben hat", merkt Norman-Audenhove dazu an. Wie schon nach dem Jahrhunderthochwasser von 2002 pocht die Branche auch jetzt auf einen Katastrophenfonds mit staatlicher Beteiligung.

Für 2010 rechnet die heimische Versicherungsbranche in Summe mit stagnierenden Prämien von 16,48 Milliarden Euro (plus 0,1 Prozent). Auch im Vorjahr war das Wachstum nicht berauschend, mit 1,5 Prozent aber deutlich höher.