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Versicherung und Verunsicherung

Von Franz Schandl

Gastkommentare
Franz Schandl ist Historiker und Publizist in Wien sowie Redakteur der "Streifzüge" (www.streifzuege.org).

Die private Pensionsvorsorge ist mit Skepsis zu betrachten.


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Der neueste Hit war der "Welt" zu entnehmen: "Nur die Rente mit 74 kann Deutschland noch helfen." Und das im Land der durchökonomisierten Exportweltmeister. Die durchschnittliche Lebenserwartung in meinem Wiener Wohnbezirk Margareten liegt übrigens laut neuester Statistik bei 74 Jahren. Arbeiten, bis man tot umfällt, das ist es!

Der deutsche Pensionsexperte Bert Rürup, ein Könner seines Faches, wiederum meinte in der "Presse", dass der "Leidensdruck nicht groß genug ist". Das niedrigere Frauenpensionsalter sei an das höhere männliche anzupassen. Da wird gegendert, dass es eine Freude ist. Natürlich sei das Pensionssystem nicht finanzierbar, daher müssten die Renten anderweitig, also privat, finanziert werden.

Wer es sich leisten kann, versichert sich. Nur, ist man es dann auch? Wenn man die aktuellen Um- und Zusammenbrüche im Banken- und Versicherungssektor so anschaut, etwa den Zusammenbruch der Lebenspolice Rocket der mit der Volksbanken AG verbandelten ERGO-Versicherung, dann sollte man das bezweifeln. "Ja, wenn man es ihnen gesagt hätte, dass sie auch das gesamte Geld verlieren könnten, dann hätten sie . . ." So ungefähr beginnen die rührseligen Geschichten, die sodann durch die Dokumentationen der Medien laufen. Geprellte Pensionisten stehen dann vor einem Scherbenhaufen und verstehen die Welt nicht mehr.

Platzt eine große Blase, platzen viele kleine Blasen mit. Das verdiente Geld erweist sich als nicht mehr vorhanden, es hat sich in Luft aufgelöst. Futsch ist es. Manche private Vorsorge enttarnt sich als das Pyramidenspiel, das sie ist. Sollte sich herausstellen, dass die Fonds und Versicherungen selbst unzureichend versichert waren oder sonst etwas nicht so richtig nach Vorstellung gelaufen sein, dann ist die Vorstellung, zu mehr Geld zu kommen, ja selbst die Vorstellung, das Eingelegte zurückzuerhalten, erledigt. Die Vorstellung ist sodann eine Halluzination gewesen.

Und selbst wenn Vater Staat die Kleinen (wie die Großen) vor dem Bankrott retten sollte (was er freilich nur bis zu einem gewissen Maß kann), hieße das doch, dass diese Verluste sozialisiert werden müssen. Bleiben sie das eine Mal an den Versicherten hängen, hängen sie das andere Mal an den Steuerzahlern. Passiert derlei zu oft, dann hängt sich das Betriebssystem an seinen Überforderungen auf.

Sicher ist, dass man zahlen muss; nicht sicher ist, ob man zahlen kann. Das macht das Leben der Bürger unlustig, weil man permanent nach Geld gieren muss. Der Schritt von der Versicherung zur Verunsicherung ist jedenfalls getan. Nur die flächendeckende Propaganda vermag diverse Ängste zu verdrängen, indem sie permanent Hoffnungen auf satte Gewinne schürt. Es gelte vorzusorgen, der Staat könne nicht mehr, aber der Markt könne immer. Je öfter die Ökonomie in Leerlauf gerät, desto mehr versetzt uns die Ideologie in einen irren Dauerlauf. PR-Abteilungen bombardieren bis in die kleinsten Winkel. Gerade eben peitscht man die Menschen wieder in die private Vorsorge, den flächendeckenden Kampagnen ist kaum zu entkommen. Dort jedoch droht die Enteignung. Die dritte Säule entpuppt sich als Pappe. Und die Pappenheimer stehen dann da und jammern . . .