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Versicherungsbranche vor harter Auslese

Von Rosa Eder

Wirtschaft

Die europäische Versicherungslandschaft wird innerhalb der nächsten fünf Jahre einen Konsolidierungsprozess durchlaufen, den eine große Zahl von Instituten nicht überstehen wird, prophezeit die Boston Consulting Group (BCG) in einer Studie. Bei den führenden, europaweit agierenden Gruppen werde nur etwa die Hälfte ihre internationale Präsenz aufrechterhalten können, sagt Gunther Schwarz, Co-Autor der Studie.


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Die stillen Reserven der führenden europäischen Versicherer sind zwischen den Jahren 2000 und 2002 um 71% gesunken. Allein die zehn am härtesten betroffenen großen Versicherer haben im vergangenen Jahr Verluste von 12,2 Mrd. Euro kumuliert. Als Ursache für die katastrophale Lage im Versicherungsgewerbe hat die Studie vor allem die Expansionsstrategie in den neunziger Jahren ausgemacht.

Die negative Entwicklung am Kapitalmarkt sei lediglich Auslöser der aktuellen Misere gewesen. Der eigentliche Grund für die verheerende Situation sei die mangelnde Gesamtprofitabilität der zahlreichen Aktivitäten. Die multidimensionale Expansion sei vor allem deshalb oft fehlgeschlagen, weil sich das Management übernommen habe und die einzelnen lokalen Aktivitäten nicht miteinander vernetzt worden seien, erläutert Rainer Reich, Geschäftsführer von der BCG-Niederlassung in Wien.

78% der Lebensversicherer sind "subkritisch"

Viele Gesellschaften hätten - ausgehend von einem starken Geschäft im Heimatmarkt - versucht, ihr Geschäft zu internationalisieren, seien aber in den neu erschlossenen ausländischen Märkten selten richtig erfolgreich geworden. So sind heute 78% der untersuchten europäischen Lebensversicherer "subkritisch", das heißt, ihr Marktanteil beträgt weniger als 5%, im Nicht-Leben-Geschäft sind es 61%. BCG hat den Schwellenwert von 5% empirisch ermittelt: Erst ab dieser Größe ist die Marktposition stark genug, um Profitabilitätsvorteile gegenüber kleineren Anbietern durchzusetzen und strategisch bedeutsame Vertriebspartner zu gewinnen.

In dem vergleichsweise kleinen, aber konzentrierten österreichischen Markt ist die Marktposition von zwei Drittel der Lebensversicherer subkritisch. Anders als zum Beispiel in Deutschland gibt es zwei reine, bankennahe Lebensversicherer und vier große "Player". Auch im Nicht-Leben-Geschäft ist die Situation etwas positiver als im übrigen Europa: Knapp die Hälfte der untersuchten Gesellschaften - darunter auch die vier Marktführer - verfügen über eine nachhaltige Wettbewerbsposition. Längerfristig wenig attraktiv ist der österreichische Markt aber für immerhin sieben - zumeist deutsche und Schweizer - Versicherungsanbieter, die nicht über einen Marktanteil von 5% kommen. Einige Anbieter haben bereits die Konsequenzen daraus gezogen und den österreichischen Markt verlassen.

Boston Consulting geht davon aus, dass sich in Europa auf nationaler Ebene jeweils zwei bis drei Platzhirsche mit starken Positionen im Leben- und Nicht-Leben-Markt, rund vier fokussierte Lebensversicherer und zahlreiche Nicht-Leben-Spezialisten den Markt aufteilen werden.